Alex Hanimann — Same but different

Alex Hanimann · o.T. [Romy], 2019, aus: ‹Conversation piece›, 2018–2019, Aluminiumguss, 185 x 63,6 x 68,4 cm © ProLitteris. Foto: Sebastian Stadler

Alex Hanimann · o.T. [Romy], 2019, aus: ‹Conversation piece›, 2018–2019, Aluminiumguss, 185 x 63,6 x 68,4 cm © ProLitteris. Foto: Sebastian Stadler

Besprechung

Wie sehen wir die Welt? Wie sehen wir uns selbst? Und wie wirkt unsere kulturelle Identität auf diese Sichtweisen zurück? Es sind Fragen wie diese, die Alex Hanimann mit einem formida­blen Heimauftritt aufwirft und so einmal mehr belegt, wie er grossen, komplexen Themen Konturen zu geben versteht.

Alex Hanimann — Same but different

St. Gallen — ‹I am your mirror›, verheisst die Neonschrift, mit der uns Alex Hanimann (*1955) frei nach Lou Reed im Treppenhaus begrüsst. Der Spiegel als Leitmotiv – und mit ihm die Begegnung mit uns selbst in der Kunst – kündet sich hier an und erzeugt sofort eine Kaskade von Bezügen: An Jacques Lacans ‹Spiegelstadium als Bildner der Ichfunktion› liesse sich denken, denn inzwischen prägt es als Selfie-Hedonismus bekanntlich auch junge Erwachsene. Denkhilfe leisten könnte aber auch der von Michel Foucault exemplarisch am Spiegel ausgeführte Begriff der Heterotopie oder, noch ergiebiger, Oliver Wendell Holmes’ Definition der Fotografie als ein Spiegel mit Gedächtnis und seine davon inspirierte Vision einer Archivierung der Welt im Bild. Mit Letzterem, diesem Sich-Ablagern der Welt im Bild, befasst sich Hanimann seit langem, indem er – mit teils enzyklopädischem Ansatz – sammelt, was diese in hoher Kadenz an Geschichte(n) und Haltungen produziert. Davon zeugen in der Ausstellung Blow-ups nach Medienbildern aus den Siebzigerjahren, die einerseits Licht auf die ganz persönliche Sozialisierung und Politisierung des Künstlers werfen, andererseits einen Eindruck von der Diversität der damaligen Ideologien und Lebensentwürfe vermitteln. Diese ausgesuchten historischen Flashbacks lässt Hanimann mit einem träumerisch vertonten Handyvideo kontrastieren, das er 2015 Rad fahrend im Londoner Victoria Park gedreht hat. Diesem wiederum folgt ein Mitschnitt vom Pausenhof einer muslimischen Schule im Stadtteil Bethnal Green, der uns auf ebenso lyrische und offene Art in die soziopolitische Realität zurückholt, bevor uns zum Schluss eine Spiegelwand mit uns selbst und unserer Position konfrontiert. Die spektakulärsten Begegnungen finden jedoch im Oberlichtsaal statt. Ihre Prot­agonisten sind sechs leicht überlebensgrosse Figuren aus mattem Aluminium, die wie die monumentalen Chromstahlskulpturen ‹Vanessa› und ‹Anne-Sophie› nach 3D-Scans von Studierenden umgesetzt wurden. Hanimann hat sie als Gruppe und doch jede isoliert und auf sich selbst oder ein imaginäres Gegenüber konzentriert im ansonsten leeren Raum versammelt. Posen und Styling scheinen aus dem Leben gegriffen, sind aber das Ergebnis sorgfältiger Vorbereitung, worauf die halb Umkleide, halb Fotostudio nachbildende Arbeit ‹Turning inside out› im Vorraum verweist. ‹Conversation piece› hat Hanimann die Einladung zur stillen Zwiesprache genannt. Mit Vorteil beginnt und beendet man den Rundgang hier.

Bis 
01.09.2019

→ ‹Alex Hanimann – Same but different›, Kunstmuseum St. Gallen, bis 1.9.; dann Villa Merkel, Esslingen, 15.9.–17.11.; FRAC Grand Large Hauts France, Dünkirchen, 17.2.–10.5.2020 ↗ kunstmuseumsg.ch

Institutionen Land Ort
FRAC Grand Large Frankreich Dunkerque
Kunstmuseum St.Gallen Schweiz St. Gallen
Ausstellungen/Newsticker Datum Typ Ort Land
Same But Different 08.06.201901.09.2019 Ausstellung St. Gallen
Schweiz
CH
Künstler/innen
Alex Hanimann
Autor/innen
Astrid Näff

Werbung