Raymond Pettibon in der Graphischen Sammlung der ETH
Der amerikanische Künstler Raymond Pettibon, dessen Werk fast ausschliesslich aus wunderlichen, comicartigen Tuschzeichnungen besteht, wartet in der Sammlung der ETH Zürich erstmals mit selten gezeigten Lithographien, Radierungen und Siebdrucken auf.
Raymond Pettibon in der Graphischen Sammlung der ETH
Ein lapidar dargestellter Leiterwagen verleitet Raymond Pettibon (*1957) ironisch mit den Worten «The whole of human history starts here» zu kommentieren. Nicht viel anders waren seine Texträtsel zu Beginn seiner künstlerischen Karriere komponiert, die er zu fotokopierten Heften zusammenband und seit 1978 über das Plattenlabel SST herausgab. Da er sie in kleinen Auflagen publiziert hat, sind die meisten heute vergriffen. Damals war Pettibon hauptsächlich einer subkulturellen Öffentlichkeit bekannt, nachdem er erstmals in den siebziger und späten achziger Jahren durch seine Plattencovers und Flyers für verschiedene kalifornische Punkrockbands wie etwa «Black Flag», «Sonic Youth» und «Minutemen» Aufsehen erregt hatte. Als Künstler outete er sich, als seine Zeichnungen in der Ausstellung «Helter Skelter» von 1992 im Museum of Contemporary Art in Los Angeles gezeigt wurden. 1994 konnte man seine Zeichnungen auch in Zürich sehen, so in der Galerie Walcheturm, anlässlich der Gruppenausstellung «Passing Through» und in der Ausstellung «Endstation Sehnsucht» im Kunsthaus Zürich. Ein Jahr später veranstaltete Ulrich Lock eine monographische Schau in der Kunsthalle Bern.
Mit locker gesetzten Linien, satten, schwarzen Strichen und Schraffuren graviert Pettibon in comicartigem Stil einfachste Motive der Massenkultur. Ebenso wie von Comics lässt sich Pettibon von Goyas Radierungen oder von Honoré Daumiers Vignetten inspirieren. Die vielfach colorierten Blätter leben von drastischen Blickwinkeln, verzerrten Perspektiven und grafischen Kontrasten und überzeugen durch ihre malerischen Qualitäten. Dargestellt sind geflügelte Herzen, Surfer, Baseballspieler, Tiere, die Bibel, Glühbirnen und Eisenbahnzüge; Motive, die immer wiederkehren und zu fragmentarischen und fast lapidaren Kürzeln reduziert sind. Oft macht sich ein kleiner Gnom mit weit aufgerissenem Maul breit, der immer nur «Vavoom» in die Welt schreit. Er ist neben Gumby und Goo dem Comics «Felix the Cat» entstiegen und entpuppt sich zuweilen als alter Ego des Künstlers. Diese Protagonisten der Comicswelt treffen auf Helden und böse Figuren wie Superman, Jesus Christ, Ronald Reagan, Charles Manson und Elvis Presley. Diese Crew agiert in Szenen voll beissendem Humor und legt unter befreienden Lachern die Extreme des Daseins bloss.
Die Blätter sind gespickt mit Dialogfetzen, seien es lautmalerische Schlag- und Slangwörter oder Zitate von Lieblingsautoren wie Marcel Proust, Henry James, Thomas Browne, Samuel Beckett und John Ruskin. Die Texte, die als gleichwertige grafische Elemente auftreten, kommentieren die Bilder nicht, noch illustrieren die Bilder die Texte. Die meist elliptischen Texte sind verkürzt und fügen sich mit den fragmentarisch dargestellten Szenen zu collageartigen Kompositionen. Das Anekdotische ist so frei interpretierbar und löst vage Stimmungen aus. Diese generieren starke und poetische Assoziationen, so etwa die Blätter mit dem aus einer sich zusammendräuenden Wolke ragenden Schwert und verraten darin viel von Pettibons sorgfältig konstruierter Strategie.
Institutionen | Land | Ort |
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Graphische Sammlung ETH | Schweiz | Zürich |
Dominique von Burg |
Raymond Pettibon |