Urs Fischer - Kir Royal im Kunsthaus
Erstmals hat ein ganz junger Zürcher Künstler die Chance erhalten, im prestigeträchtigen Bührle-Saal eine Einzelausstellung einzurichten. Der 31-jährige Urs Fischer wartet mit einer ausufernden Materialflut auf, die er souverän beherrscht, die aber auf der Mikroebene eher irritiert.
Urs Fischer - Kir Royal im Kunsthaus
Die Zürcher Kunsthaus-Direktion hat Urs Fischer viel Vorschusskredit gewährt, als sie ihm die 1300 qm des Bührle-Saals zur Verfügung stellte. Auch wenn Fischer dafür bekannt ist, mit materialreichen Inszenierungen kulant zu hantieren, ist der erste Raum schwach bespielt: eine Installation aus hellrosa getönten Wänden, die recht verloren dastehen und einen selbst ratlos machen. Dafür tröstet der Blick durch segmentbogenförmige Öffnungen in drei Trennwänden, die Fischer quer zur Längsachse des Saales einziehen liess und die den Rahmen für eine bühnenartige Inszenierung abgeben. Man befindet sich unvermittelt in einen grossen, begehbaren Bild, das als klassisches Trompe-l'oeil komponiert scheint und immer wieder überraschende Perspektiven eröffnet.
Urs Fischer, als Fotograf an der Zürcher Hochschule für Gestaltung und Kunst ausgebildet, wird seit einigen Jahren von Zürcher und Londoner Trendgalerien herumgereicht. Trendy ist auch sein Spiel auf der Klaviatur der kunsthistorischen Topoi, auf die er mit Witz und trashigen Materialexperimenten anspielt und die er zu stimmungsvollen räumlichen Situationen verbindet. So bietet ihm eine Gruppe von Stühlen, die verzerrte, überdimensionierte Schatten aus Aluminium an die Wand werfen, die Gelegenheit, sich einer langen kunsthistorischen Tradition anzunehmen. Der gigantische Stuhl im Hintergrund, in den eine ebenso grosse Packung Zigaretten verkeilt ist, liebäugelt mit surrealistischen und Pop-Art-Attitüden. Die «drei Grazien» sind mit einer Prise Jeff Koons in lebensgrosse Frauenkerzen verwandelt. Wenn die Damen beim Abbrennen sukzessive unerwartete Verformungen hervorbringen, ist ihnen ein verschmitztes Zwinkern auf kernige Machoallüren nicht abzusprechen. Zudem gibt Fischer mit ihrer Transformation die Kontrolle über die Formschöpfung aus der Hand. Eine ähnlich radikale Auflösung der Form und Materialität führte er bereits 1998 im Migros Museum mit einer Mauer auf einem Fundament aus faulendem Gemüse vor. Ein Symbol für Transformation und Vergänglichkeit meint man in den Skeletten zu erkennen. Doch für Fischer sind sie ganz lapidar «sympathisch und eigentlich gar nicht tot».
Solche Beispiele lassen eine Spannung zwischen der grossen, auch gelungenen Inszenierung und dem enttäuschenden Blick hinter die Kulissen erkennen. Etwa der Regentropfenschauer im Epizentrum der Installation übt wohl eine starke Sogwirkung aus und erlaubt spannende und vielfältige Durchblicke. Doch steht man unmittelbar vor der arbeitsaufwändigen Installation aus Gips-Regentropfen wird man zu sehr an eine Schaufenstereinrichtung erinnert. Darin zeigt sich exemplarisch, dass die Objekte im Gesamtkunstwerk funktionieren und faszinieren, doch im Einzelnen betrachtet, stets Gefahr laufen zu implodieren. Vielleicht, weil sie eine Spur zu neo-gothic sind, vielleicht, weil sie von einer zu grossen Verliebtheit in die eigene Mixtur aus klassischen Medien, Bastelästhetik und virtuellen Welten zeugen, vielleicht, weil sie an der zu nonchalant vorgetragenen, flüchtigen Geste scheitern.
Institutionen | Land | Ort |
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Kunsthaus Zürich | Schweiz | Zürich |
Dominique von Burg |
Urs Fischer |