Gasträume
Gasträume
Ein Eisbär am Paradeplatz vor der Credit Suisse, ein Stern, der sich in den Boden gebohrt hat oder eine Einladung zu einem ungewöhnlichen Raumerlebnis: Dies sind einige der Werke und Interventionen, die Zürichs öffentliche Plätze einen Sommer lang bevölkern. Seit 2010 organisiert die Arbeitsgruppe ‹Kunst im öffentlichen Raum› (AG KiöR) zusammen mit renommierten Galerien, Off-Spaces und diversen Institutionen dieses Ausstellungsformat unter dem Titel ‹Gasträume›, das mittlerweile institutionalisiert ist. Besonders angesichts der rasanten Stadtentwicklung soll die Bedeutung der Gegenwartskunst öffentlich sichtbar gemacht werden, um einen unmittelbaren Dialog zwischen Kunst und Menschen zu schaffen und die Wahrnehmung des städtischen Lebensraums zu schärfen. Neben sporadisch stattfindenden Performances sind 18 Standorte in der Innenstadt, in Zürich-West und in Altstetten mit teils speziell konzipierten Kunstwerken bestückt. Dieses Jahr ist der Skulpturenrundgang den zahlreichen, hochkarätigen, im öffentlichen Raum platzierten Werken von Gottfried Honegger (1917-2016) gewidmet, und zwar anlässlich seines 100. Geburtstages.
Den kollektiven Gedächtnisverlust und den weltweit wachsenden Nationalismus spricht die Installation ‹Erasing› von Artur Zmijewski (*1966) an. Mit einer Reihe von Grabsteinen, deren Inschriften der Künstler «ausradiert» hat, und einer Videoarbeit verweist er auf die seit dem 2. Weltkrieg andauernde kulturelle Diskriminierung der deutschen Minderheit in Polen. Unter beängstigendem Gedächtnisverlust leiden auch die Akteure des internationalen Finanzkapitals. Darauf verweist Kerim Seilers (*1974) Eisbär-Skulptur aus weissem Carrara-Marmor, steht sie doch hier nur indirekt als Ikone des Kampfes gegen den Klimawandel. Mit dem Titel ‹Ours d'après Régine Gallard› behauptet Seiler einen kunsthistorischen Bezug, der sich jedoch als Fiktion entpuppt. Ein Stoff, aus dem zahllose internationale Finanztransaktionen gebastelt sind. Dem halten Mickry3 (Christina Pfander, Dominique Vigne, Nina von Meiss) mit einer ausladenden Plastik ihre Liebesbotschaft entgegen. Sie besteht aus grossen Emojis aus Gasbeton. Eine von Weitem sichtbare, gestreifte Hand fungiert als Wegweiser auf die etwas versteckte Wipkinger Terrasse. Mickry3 interpretieren die Weiterentwicklung der Plastik in Zusammenarbeit mit Jugendlichen als «einen Akt der Liebe, sozusagen ein Geschenk für die Quartierbewohner».
Dominique von Burg |