Editorial — Das grosse Fressen
Editorial — Das grosse Fressen
Juergen Teller liebt das Disparate, das Anziehende und das Abstossende – und er ist oft selbst Teil der Szenerie. Und sei es auch nur in Form von schrillbunten Socken, die er scheinbar achtlos und doch punktgenau fallen lässt. In einer Aufnahme sehen wir ihn in einem europablauen Kapuzenpulli mit elf Sternen – der zwölfte für Grossbritannien fehlt –, leuchtfarbenen Shorts und eben diesen Socken rücklings auf dem Boden liegen, während sich zwischen Teller(n) und aufgeschnittenen Pfirsichen Schnecken über die reifen Früchte hermachen. In der ausgestreckten Hand hält er ein Smartphone und fotografiert ein besonders stattliches Exemplar, das soeben über sein behaartes Männerbein kriecht. Es sind nicht irgendwelche Schnecken, sondern besonders gefrässige, invasive Afrikanische Riesenschnecken. Die Fotoserie wurde 2017 in einer Galerie in Paris gezeigt, am Fenster hing ein Schild: «Refugees welcome». Wie bitte? Ist das nun zynisch oder provokativ? Teller ist ein visueller Stratege. Er fokussiert ebenso auf -nackte Haut und blonde Models wie auch auf faltenschwere Celebrities. Dabei testet er Grenzen in der Mode- und Glamourszene, die er geschickt bedient und schonungslos entlarvt. Als kommerzieller Fotograf sind Intimität und Voyeurismus seine verlässlichsten Währungen. In seinen Magazin-Aufnahmen klatscht er uns zudem unsere eigenen Ängste auf den Tisch. Hier beispielsweise, indem er das Treiben auf dem Studioboden festhält und zeigt, wie sich omnivore Schnecken in ihrem steten Kampf ums Fressen und Gefressenwerden weder von haarigen Schenkeln noch von fussligen Sockensperren zurückhalten lassen.
Institutionen![]() |
Land | Ort |
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Fotomuseum Winterthur | Schweiz | Winterthur |
Ausstellungen/Newsticker |
Datum![]() |
Typ | Ort | Land | |
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Jürgen Teller - Enjoy Your Life! | 02.06.2018 – 07.10.2018 | Ausstellung | Winterthur |
Schweiz CH |
Claudia Jolles |
Jürgen Teller |