Rebecca Horn — Körperphantasien und Metamorphosen

Rebecca Horn · American Waltz, 1990, Daros Collection, Schweiz, Courtesy Museum Tinguely Basel © ProLitteris. Foto: Daniel Spehr

Rebecca Horn · American Waltz, 1990, Daros Collection, Schweiz, Courtesy Museum Tinguely Basel © ProLitteris. Foto: Daniel Spehr

Besprechung

Pur und magisch wirken die Werke der Künstlerin, die mit der sensorischen Fähigkeit begabt ist, Unvorstellbares geistig fassbar zu machen. Rebecca Horn wurde bereits mit den renommiertesten Preisen ausgezeichnet und agiert doch eher im Hintergrund. Sie verzaubert und verstört, zurzeit in Basel und Metz.

Rebecca Horn — Körperphantasien und Metamorphosen

Basel/Metz — Aus dem Reich des Analogen startet Rebecca Horn (*1944, Odenwald) ihre Reisen in universale Aktionszusammenhänge und zeitlos gültige Beziehungsfragen des Menschlichen. Seit Jahrzehnten transformiert sie ihre ikonografischen Werkzeuge und löst damit visuelle, tastbare und hörbare Wahrnehmungsgeschichten aus. Sanft-streichelnd und quälend-stachlig initiiert sie potenzielle Höhenflüge und Abstürze. Bewegung ist der Motor ihres Schaffens. Dass sich zwei Institutionen zeitgleich und in enger Zusammenarbeit mit dem herausragenden Werk der deutschen Künstlerin beschäftigen, geht über eine blosse Koinzidenz hinaus. Gerade weil das Museum Tinguely in Basel und das Centre Pompidou in Metz auf unterschiedliche Themen fokussieren, liegt ein besonderer Gewinn in der Überbrückung konkreter Grenzen und Distanzen. Physisch durchlebte Metaphorik gleichsam. Rebecca Horn lässt sich von der Vorstellung treiben, dass Energieströme Raumgrenzen durchbrechen. Schläuche ziehen gleich einem Wurzelwerk über den Boden und verschwinden durch eine Wand, um andernorts wieder aufzutauchen, zum Beispiel in Metz. Wie leergeräumt für die Präsenz des Immateriellen wirkt das Museum Tinguely, das unter dem Titel ‹Körperphantasien› choreografierten Bewegungsabläufen und Klangwelten eine Bühne bietet. Die grosszügige Präsentation steht im Dienst der Dichte eines raumdurchwirkenden Kräftespiels. Dem Körper begegnet man eingangs als Leerstelle. In wandelnden Begegnungen mit anderen und anderem – was von gesellschaftspolitischer Aktualität zeugt und zeitlose Dimensionen des Humanen tangiert – nimmt man den Körper in der Tiefe der Nervenbahnen leiblich wahr. Es baumeln in hoher Höhe klappernde Schreibmaschinen, Farbe spritzt an die Wände und über Bücher, zwei Menschen sind über die Anziehungskraft von Magneten aneinander gekettet und versuchen voranzuschreiten. Raum wird erkundet, zerschnitten in spiegelnden Flächen, berührend ertastet über verlängerte Finger. Das ‹Theater der Metamorphosen› in Metz präsentiert eine Fülle dramaturgischer Inszenierungen mit ausgestreckten Fühlern in surrealistische und mythische, alchemistische und animistische, KZ-historische und filmische Bereiche. Ein Stuhl beginnt zu tanzen, Maschinen und Dinge werden zu Wesen, um die Ecke tönt das laute Fallen eines Steins, der Bruchstücke hinterlässt. Neben der Melancholie begleitete ein Glücksgefühl das Verlassen der Ausstellungen. 

Bis 
22.09.2019

→ ‹Rebecca Horn – Körperphantasien›, Museum Tinguely, Basel, bis 22.9. ↗ www.tinguely.ch
→ ‹Theater der Metamorphosen›, Centre Pompidou, Metz, bis 13.1. ↗ www.centrepompidou-metz.fr

Ausstellungen/Newsticker Datum Typ Ort Land
Rebecca Horn. Körperphantasien 05.06.201922.09.2019 Ausstellung Basel
Schweiz
CH
Autor/innen
Sabine Arlitt
Künstler/innen
Rebecca Horn

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