Gift — Toxische Geschenke
Gift — Toxische Geschenke
Samstagern — Stehen vier Sofas in der Landschaft. Aufrecht, wie Finger oder Handy-Antennen erheben sie sich senkrecht über der Wiese der Frohen Ussicht und geben dem in der Werbung so gerne verwendeten Begriff «Wohnlandschaft» eine ganz neue Interpretation. ‹Quattro Stagioni of Compensation› heisst die Installation von Markus Müller (*1970) und ist Teil der Ausstellung ‹Gift› auf dem Hof von Martin Blum. Das Sofa, Zentrum des Wohnzimmers, Kirchenbank vor dem Fernsehaltar, Träger feierabendlicher Sitzkuhlen, die Welt nur ein Klick auf der Fernbedienung entfernt. Einst Teil der Aussteuer, ist es heute schnell wechselnden Moden unterworfen und wird entsorgt oder als «gratis zum Mitnehmen» auf das Trottoir gestellt. Vom «gift» (engl. für «Geschenk») zum Gift (für die Umwelt).
Drei Positionen erweitern die schon bestehende und langsam wachsende Dauerausstellung auf dem aktiv bewirtschafteten Bio-Bauernhof. Nebst den Sofas begrüssen uns im Treibhaus die an Minions gemahnenden acht Larven von Pedro Wirz (*1981). Er hat sie dort für ‹The Long Nap› platziert, und sie harren unbeweglich ihres unvermeidlichen Endes. Ihre Körper aus ungebranntem Lehm vom Grund des hofeigenen Teiches bröckeln, sie könnten sich nur mit einer Häutung befreien. Sie bleiben aber Larven, so wie in der Landwirtschaft Larven von Insekten mit chemischen Häutungshemmern an ihrer Entwicklung gehindert werden.
Ein eher flüchtiges Geschenk haben Tina Willimann (*1982) und Mayumi Arai (*1988) hinterlassen. In ‹The gift exercise / Invitation 8: Nitrogen› liessen sie Weltformat-Plakate im Diazotypie-Verfahren durch die Ammoniakdämpfe im hofeigenen Hühnerstall entwickeln. Die nicht lichtechten Drucke verblassen schnell, einzig die Schrift auf dem Exemplar im Hofladen ist noch schwach sichtbar.
Das Wechselspiel zwischen den Bedeutungen des Wortes «Gift» gilt insbesondere für die Landwirtschaft. Sind künstliche Dünger und Insektizide ein Geschenk oder eine Bedrohung? Einerseits sind die heutigen Erträge ohne Chemie gar nicht mehr erreichbar, andererseits bleiben deren Hinterlassenschaften noch über Generationen im Boden oder im Trinkwasser zurück. Immer wichtiger werden daher neue Entwicklungen wie Permakultur oder Gründüngung, beides Bereiche, in denen erst wenig geforscht wird. Geschenke oder Gaben können also nicht immer gefahrlos entgegengenommen werden, und so sollte einem geschenkten Gaul vielleicht doch ins Maul geschaut werden.
→ Froh Ussicht, Hof Blum, bis 29.10. ↗ frohussicht.ch
Institutionen | Land | Ort |
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Froh Ussicht | Schweiz | Samstagern |
Ausstellungen/Newsticker | Datum | Typ | Ort | Land | |
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Gift — toxische Geschenke | 27.05.2023 – 29.10.2023 | Ausstellung | Samstagern |
Schweiz CH |
Markus Müller |
Pedro Wirz |
Thomas Schlup |