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01 Schreibwerkstatt — Über das Kuratieren

Zum Auftakt der Kunst: Szene Zürich 2018 gleich etwas Programmatisches. Im OnCurating Project Space am Sihlquai wird Kunst als ein Ensemble von vielfältigen individuellen Prozessen begriffen und behandelt. Das sorgfältige Kuratieren dieser verschiedenen Ansätze steht hier ganz oben auf dem Programm.

OnCurating Project Space — Der erste Eindruck ist ein kleines Glücksgefühl. Darüber, dass der Raum gut gefüllt ist. Rund fünfzig Interessierte, vom typischen Zürcher Vernissagepublikum über beteiligte Kunstschaffende bis zu jungen Eltern mit ihren Kindern haben sich an  diesem Freitagabend am Sihlquai zusammengefunden. Bei dem Überangebot an Kunst, Diskurs und Rahmenprogramm, das Zürich in den nächsten zehn Tagen im Rahmen der Kunst: Szene Zürich erwartet, war die Sorge durchaus da, dass manche Veranstaltungen sich gegenseitig kannibalisieren könnten. Doch heute ist ja auch der erste Tag und ausserdem Beginn des Wochenendes. Ein guter Zeitpunkt, um eine Ausstellungseröffnung zu besuchen und sich, wenn man schon mal vor Ort ist, auch noch einen Vortrag anzuhören. In diesem Fall von Rory Rowan, der über das Anthropozän und dessen Zukunftsaussichten spricht. Rory Rowan ist Kulturkritiker und derzeit Gastlektor im Master Fine Arts an der Zücher Hochschule der Künste. Sein Forschungsschwerpunkt liegt auf dem zuvor erwähnten Anthropozän. Der Epoche also, in der wir uns befinden und in welcher der Mensch zu einem der wichtigsten Einflussfaktoren auf die biologischen, geologischen und atmosphärischen Prozesse der Erde geworden ist. Totale Gegenwart. Darüber nachzudenken lohnt sich, denn viele Theorien und Überlegungen kommen hier zusammen, die ein umfangreiches und präzises Bild zeichnen von der Welt, in der wir leben.  Doch bevor der Vortrag beginnt, ist noch Zeit, sich in der Ausstellung umzusehen. Man merkt gleich: Das Kuratieren wird hier ernst genommen. Wandtexte werden zu Raumtexten, die auf Deutsch und Englisch von der Decke hängen und sich so jeweils zweifelsfrei den einzelnen Arbeiten zuordnen lassen. Gleichzeitig stellen die Texte Verbindungen und Zusammenhänge zwischen den einzelnen Arbeiten her, die sonst möglicherweise übersehen werden könnten. Die Ausstellung trägt den Titel ‹Fünf künstlerische Strategien mit und gegen den Wandel der Zeit› und greift Diskursstränge der Auseinandersetzung mit dem Anthropozän auf. Es geht um die Spannungsverhältnisse von Mensch und Natur, um Fortschritt und um die Möglichkeit, aus der Erfahrung des Einzelnen Handlungsempfehlungen für das Kollektiv abzuleiten. Die Arbeiten sind sehr unterschiedlich und doch beziehen sich alle auf gemeinsame Diskurse, die künstlerisch verwertet und weitergeführt werden.

Das alles ist gekonnt präsentiert und vermittelt, zugleich stellt sich die Frage: Vielleicht ist das alles ein bisschen zu didaktisch? Denn wenn alles gezeigt und gesagt wird, was bleibt dann noch für das eigene Denken? Erste Entwarnung gibt es nach dem Vortrag von Rory Rowan, denn die anschliessende Diskussion ist engagiert, substanziell und umfangreich. Es wird tollerweise doch noch selber gedacht. Und, eine kleine Beobachtung zum Schluss: Trotz der genauen kuratorischen Arbeit mussten für den Vortrag zwei Zeichnungen des Künstlers Walter Fröhlich abgehängt werden, um dem Beamer eine freie Wand zu liefern. Alles lässt sich also doch nicht planen.

Mathis Neuhaus (*1991) lebt in Zürich und ist freier Journalist in den Bereichen Kunst, Musik und Popkultur. hello@mathisneuhaus.de

Schreibwerkstatt ist ein Projekt von Kunstbulletin und Kunst: Szene Zürich 2018.

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Kunst: Szene Zürich 2018 - Ausstellung Zürich Schweiz
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