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05 Schreibwerkstatt — Anders in Erinnerung

Wie realitätsgetreu sind unsere Erinnerungen? Und inwiefern beeinflussen sie unsere Wahrnehmung der Realität? Diese Fragen werden in den Arbeiten von drei Künstlerinnen und Künstlern aufgegriffen, die bis Ende der Woche im Quartierraum Im Vogel zu sehen sind.

Im Vogel — Helles Scheinwerferlicht beleuchtet ein leeres Bücherregal. Darauf ein Objekt aus Keramik, das mit seinen reliefartigen Windungen an ein Gehirn erinnert. Die Arbeit ‹When Memories disappear› von Co Gründler (*1967, Siebeneichen) thematisiert menschliche Verlustängste: Was geschieht mit uns, wenn Wissen und Erinnerungen verschwinden, wenn unsere geistige Bibliothek, die wir uns jahrelang aufgebaut haben, immer leerer wird? Das eine Buch ausgeliehen, das andere verloren. Ähnlich wie Herr Geiser in ‹Der Mensch erscheint im Holozän› versuchen wir, unser Wissen zu bewahren. Während der Protagonist aus dem Roman von Max Frisch sein Wissen auf Papier notiert und an die Wände seiner Wohnung hängt, leuchtet Co Gründler das Gehirn mit grellem Licht aus, damit wir es ja nicht aus den Augen verlieren. Doch was wäre, wenn Herr Geiser doch mal einen Zettel verlegt? Und was, wenn das Licht doch mal ausgeht?

So wie ‹When Memories disappear› aus Keramik gebrannt wurde, brennen sich Erlebnisse in Form von Erinnerungen in unser Gehirn ein. Einige gehen im Verlauf der Zeit verloren, andere setzen sich zwischen seinen weichen Windungen fest. Doch die Erinnerungen sind meist nicht realitätsgetreu. Dies verdeutlicht die Klanginstallation von Jürg Zimmermann und Matthias Tschopp. Auf einem Laptop können Fragmente eines Konzerts abgespielt werden, das am vergangenen Samstag stattfand. Und wie viele unserer Erinnerungen sind auch diese Fragmente ‹False Memories›, wie sich die Arbeit von Zimmermann & Tschopp nennt.

Wir bilden unsere Realität also aus fragmentarischen Erinnerungen, so wie Mara Mars (*1949, Rüti) ihre Collagen ‹12 Compositions› aus Papier und Folie zusammensetzt. Eine Ansammlung abstrakter Formen und Farben, in denen wir als Betrachterinnen oder Betrachter etwas zu erkennen meinen; fest an der Hoffnung festhaltend, dass uns unser Wissen auch diesmal weiterhelfen wird.

Wie sehr verlassen wir uns auf unser Wissen? Wie sehr lassen wir uns noch auf andere Wahrnehmungen ein, die, wie die unsere, aus Fragmenten zusammengesetzt wurde? Fragen, über die sich zu sprechen lohnt, insbesondere an einem Ort wie dem Quartierraum Im Vogel, der versucht, neue Begegnungen zu schaffen und so das gemeinschaftliche Leben im Entlisberg zu fördern.

Giulia Bernardi (*1990), freie Autorin, giulia.bernardi@outlook.com

Schreibwerkstatt ist ein Projekt von Kunst: Szene Zürich 2018 und Kunstbulletin.

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Kunst: Szene Zürich 2018 - Ausstellung Zürich Schweiz
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