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Art meets technology

Brugg — Die Ausstellung 'Art meets technology' erfüllt den Anspruch der beiden Galeriebetreiber und Künstler Stephan Bruelhart und Markus Cslovjecsek, die im Konzept eines ihrer neusten partizipativen Projekte schreiben: 
"Die Campusgalerie [Brugg - Windisch] versteht sich als eine Art Werkzeugkasten. [...] Wir wollen die flexibelste Galerie der Schweiz sein – unter Galerie verstehen wir auch Labor, Werkstatt, Atelier und Diskussionsraum." 
Die Präsentation versammelt sieben Positionen zum Thema der Begegnung von Kunst und Technologie. Man tritt ein in eine Werkhalle, die etwa anmutet wie ein Gemeinschaftsatelier am Tag der offenen Tür; viele Werke und Situationen fordern eindeutig zum Ausprobieren und Mitmachen auf. Gleich als erstes begegnet man der Installation 'Kosmos II' der russischstämmigen Künstler/innen Maria Pomiansky und Levin Vadim. Vor einem grossen, breitformatigen Bild steht ein 'Simulator', ein gelber Sessel auf Bettfedern. Wer sich darauf setzt, tut gut daran, die Beine fest auf dem Boden zu lassen, denn das Ding kann einen blitzschnell abwerfen. Der erste Gedanke, dass man hier für einmal ein Bild bequem vom Sessel aus geniessen könne, war also vorschnell und verkehrt. Und es ist sinnvoll, die Erfahrung dieser Korrektur auf den weiteren Rundgang mitzunehmen. Der andere Teil der 'russischen' Arbeit, Kosmos I, besteht aus einem Ensemble von grossen Pappkarton-Objekten (Levin Vadim) sowie einer durch Lichtprojektionen überlagerten Gruppe von abstrakten Bildern (Maria Pomiansky). Die Bilder sind symmetrisch angeordnet und zeigen architektonische Elemente wie dreikantige Pyramiden, Stufen und Rundfenster. Ihre, aus der Nähe gesehen, deutliche Materialität wird durch eine Beamerprojektion aufgehoben, welche die gemalten Elemente verdoppelt, sie zittern und atmen lässt, manchmal auch in vertikale Bewegung versetzt wie startende Raumschiffe. Die Objekte aus Pappe in unmittelbarer Nachbarschaft erinnern an Kulissen eines volkstümlichen Theaters: orientalische Kuppeln, darüber schwebend eine plumpe Rakete, das alles scheint eine kindliche Spielfreude zu manifestieren. Maria Pomiansky verortet die Arbeit 'Kosmos' in einem Katalogtext in der Kindheitserfahrung russischer Weltraumbegeisterung, welche sie mit der Generation der in den 1960- 1970er Jahren in der Sowjetunion Geborenen teile. 
Von Maeva Rosset sind sechs grosse quadratische Fotografien in einer Reihe zu sehen, sehr kühl, sehr technisch. Auf jedem Bild ist - freigestellt auf weissem Hintergrund - eine Art Bullauge zu sehen, dessen Glas den Blick freigibt auf eine dahinterliegende Ebene. Diese ist in rechteckige Felder mit leicht unterschiedlicher Struktur und Farbe eingeteilt, auf jeder Fläche ruht ein Tropfen durchsichtiger Flüssigkeit. Geht es um etwas Gefährliches? Man fragt sich das, weil das Glas in einem Rahmen aus Edelstahl steckt, der mit unzähligen Schrauben die Öffnung verschliesst. Rossets Material sind Düfte. In einer zweiten Arbeit präsentiert sie auf einem Sockel einen seltsam organisch wirkenden Knäuel aus Pastikschnüren, aus welchem Plastik-Pipetten herausragen. Hier kann man durch Drücken der Röhrchen verschiedene Düfte ausprobieren und vergleichen. In den Fotografien versuchte die Künstlerin, die Düfte 'sichtbar' zu machen. Sie nutzte dazu eine Hightech-Anlage, in der das Verhalten von Flüssigkeiten auf verschiedenen nanostrukturierten Oberflächen getestet und gezeigt werden kann. Jetzt sehen wir, dass die Tropfen auf den verschiedenen Flächen in unterschiedlicher Weise geformt sind, was offenbar Rückschlüsse auf ihre chemische Beschaffenheit zulässt. Allerdings kann man diese Erkenntnis unmöglich mit dem Erlebnis eines Duftes zusammenbringen. Die Technologie belegt hier zwar objektive Unterschiede und Muster, zeigt sie uns aber auf dem 'falschen Kanal' – ein verwirrender, und doch irgendwie vertrauter Vorgang! 
'I have seen these all before' - diesen desillusionierenden Titel gab Yota Tsotra ihrer Arbeit mit Teppichen, die sie in Griechenland von einer griechischen Weberin, auf einem traditionellen Webstuhl, anfertigen liess. Der Vorgang ist in einem Video zu sehen, und es verwundert, weshalb die Kunsthandwerkerin einen Schutzanzug aus Plastik und eine Atemschutzmaske tragen muss. Die Materialien sind es, die sie dazu zwingen, denn die Fasern aus Karbon, Glas, und Keflar sind potenziell gefährlich, und werden in ihren üblichen Anwendungen im Leichtbau eingeschlossen in Harz. Die Teppiche, welche bei dieser Aktion entstanden, werden in der Ausstellung auf Euro-Paletten präsentiert. Sie sind sehr schön mit ihren einfachen geometrischen Ornamenten und der zurückhaltenden Farbigkeit in Gelb, Grau und Anthrazit. Aber man darf sie nicht berühren, und schon gar nicht im Wohnzimmer auslegen. So lässt sich der Titel auch auf die Erfahrung beziehen, dass technologisch raffinierte Verfahren und damit hergestellte Dinge uns wie ein Bumerang von unerwarteter Seite wieder treffen und beschädigen können. 
Es gibt in der Ausstellung grössere Bereiche, die mit Tischen, Computern und Monitoren, Beamern und Leinwänden ausgestattet sind. Hier kann man in Welten der Virtual Reality eintauchen, und man erkennt sofort, wie ein solches Angebot die Besucher/innen in Beschlag nimmt. Da steht jemand mit der klobigen Brille und den 'Controllern' in den Händen auf einem Teppich, zuerst leicht verkrampft, den Kopf staunend in alle Richtungen bewegend. Sofort bildet sich eine Traube von Zuschauer/innen, die hier auch auf dem Bildschirm mitverfolgen können, was die Protagonistin sieht. Sie bewegt sich in einem Raum, in welchem andere Figuren tanzen, und so beginnt auch bald der reale Mensch mit seiner schwarzen Maske zu tanzen, animiert durch die virtuellen Figuren, die von einer Tanzlehrerin namens 'Alan' angeleitet werden. Es handelt sich um virtuelle Umgebungen der GmbH Archlevel, die von den jungen Game-Designern Oliver Sahli und Chris Elvis Leisi gegründet wurde. In dieser Präsentation wird ein fesselndes Spiel inszeniert zwischen der analogen Situation und der VR, indem die digital erzeugten Bilder gross projiziert werden und der reale Schatten der Protagonistin sich wiederum direkt in das Geschehen einschreibt. Dieses Hin- und Herpendeln zwischen 'realer' und 'virtueller' Welt hat Stephan Bruelhart zu einem Kernstück seiner künstlerischen Strategie gemacht. Die Kombination von analogen (Malerei) und digitalen (Virtual Reality) Werken, die thematisch und in der Herangehensweise ähnlich sind, sich aber durch ihre Materialität anders zeigen, interessiert Bruelhart. Im Hier und Jetzt können Bruelharts Bildwelten mit der VR-Brille erforscht werden, wobei der von ihm entworfene Teppich  'stay on the carpet' der Orientierung im Raum dient. Die konstruierten und animierten VR Landschaften mit gross angelegten Architekturen und  Begegnungsräumen verknüpft begehbare Texte und Bilder mit philosophischen Konnotationen. Diese Anlagen werden zu Kulissen seiner Gemälde, die Protagonisten tauchen in den gemalten Welten oder 3D Prints als Skulpturen wieder auf und geben Hinweise auf Bruelharts künstlerische Verwandschaft mit dem Surrealismus. Bruelhart versteht seine grossformatige Malerei als Echo auf die VR Landschaften. Dies alles kommt in munterer Bricolage-Attitüde daher, wobei die Gemälde ganz schön gross, grossartig und düster werden können. Diese Bilder im Panoramaformat dienen Bruelhart als Vehikel für sein PART ART Konzept. PART ART fordert vom Besucher Partizipation in Form eines Entscheides für eine Bild Parzelle. Die erworbene  „Parzelle“ erhält der jeweilige Besucher in Form eines  Formates von 40 x 40 cm als auf einen Keilrahmen aufgespanntes Bild zugestellt. Die sich gegenseitig unbekannten Käufer/innen sind eingeladen, sich im Jahre 2025  wieder in der Galerie zu einem Abendessen zu versammeln um dann gemeinsam  das Bild wieder zu vereinen und zu diskutieren, ob die im Werk formulierten Fragen noch Relevanz haben. PART ART unterstützt damit die Galerie als Diskussionsraum und fördert Nachhaltigkeit der Themen im Zeitalter der uneingeschränkten Beschleunigung. Einen Teppich ganz eigener Art setzt Markus Cslovjecsek den Hantierungen der Besucher/innen aus. Angetrieben von einem lautlosen Motor kreist ein mechanischer Arm um sein Zentrum. Daran lassen sich, wie im Spiel der Kinder mit Wäscheklammern, Kartonstücken und den Speichen des Fahrrads, Plektren aus verschiedenen Materialien befestigen. Im Umkreis der Installation liegen Platten mit unterschiedlichen Rillungen bereit, die man dem Arm in den Weg legen kann. Ja nach Tiefe, Abstand und Winkel der Rillen erzeugt nun das Plektron beim Darüberfahren ein Geräusch, perkussiv bei niederen Frequenzen, tonähnlich bei hohen. Der Aufforderungscharakter ist stark, die Betrachter/innen experimentieren, legen hin, nehmen weg, diskutieren. Erwartungen werden meist nicht erfüllt, was zu weiteren Versuchen und Klangerlebnissen führt. Im Katalog wird die 'human turntable' mit den Überlegungen von Deleuze und Guattari zum 'Glatten' ('lisse') und 'Gekerbten' ('strié') zusammengebracht, was der Arbeit eine komplexe Dimension hinzufügt. Sie lädt allerdings schon auf einer sinnlichen und direkt zugänglichen Ebene zu tiefsinnigen Gedanken über 'Stille', 'Geräusch' und 'Musik' ein.

Bernhard Chiquet (*1953), Künstler; ehem. Fachdidaktiker Kunst & Gestaltung HGK/PH FHNW; lebt und arbeitet in Basel.​b_chiquet@bluewin.ch

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