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Camillo Paravicini

Meggen — Es ist längst zum geflügelten Wort geworden, dass der Mensch das Mass aller Dinge ist. Es scheint, als wäre es ihm schlicht unmöglich, nicht alles aus seinem spezifisch menschlichen Blickwinkel heraus zu betrachten. In seiner Einzelausstellung im Benzeholz Raum für Kunst im Luzernischen Meggen spielt Camillo Paravicini (*1987) gekonnt mit Perspektivwechseln und zeigt erstmals unterschiedliche Arbeiten und Werkgruppen unter einem Dach.

Im ersten Raum begegnen einem seltsam anmutende Figuren aus Gips, die ihr kläglich-komisches Dasein auf einem rollbaren Büromöbel fristen. Die ‹Nine White Sculptures›, 2015, geben befremdliche, aber erkennbar menschliche Geräusche von sich, die zwischen Seufzen, Grummeln und Schnarchen changieren – man kann kaum anders, als sich mit diesen Geschöpfen zu solidarisieren! Im gleichen Raum hängt eine grossformatige Schwarz-Weiss-Fotografie eines Blumenstrausses. Durch das farbige Glas verändert sich dessen Leuchtkraft je nach Lichteinfall und -stärke. Gerade orange und vital, verdunkelt sich das Glas bei Nacht zur fast schwarzen Fläche. Ohnehin wirken die Blumen nur auf den ersten Blick tröstlich, da sie sich sogleich als welk und abgestorben entpuppen. Nach diesem Spiel zwischen Objekt und Subjekt, zwischen dem vermeintlich Belebten und Unbelebten, thematisiert der Künstler im ersten Obergeschoss Fragen der Beobachtungsperspektive. Zunächst fallen einem vier schwarz-weisse Vogelporträts ins Auge. Mit äusserster Detailtreue im Grossformat eingefangen, wirken die kleinen Vögel – u. a. Spatzen und Maisen – geradezu riesenhaft. Die klassische Form des Dreiviertelporträts verleiht ihnen zudem etwas Individuelles, zuweilen fast Staatsmännisches. Um die Vogelporträts sind kleine, spontane Tusche-Skizzen gruppiert, die Dinge und Menschen des Alltags zeigen und diese umgekehrt verkleinern. So scheinen die herrschaftlichen Vögel als einzige den Überblick zu wahren über das selbstvergessene Gewimmel und Gewusel menschlicher Aktivitäten: Aus der «Vogelperspektive» betrachtet, schrumpft die Menschenwelt zum kuriosen Mikrokosmos zusammen. Im Dachgeschoss zeigt Paravicini eine digital «gemalte» Hinterglasarbeit sowie die Installation ‹Waltz›, 2011. Letztere fordert das Publikum dazu auf, ein Einfrankenstück einzuwerfen, worauf sich ein Dia-Karussell für eine Minute in Gang setzt. Zu sehen sind verschwommene Schwarz-Weiss-Fotografien, die vom Künstler während einer Karussellfahrt aufgenommen wurden. Was sich hier dreht, ist das Medium, nicht der Betrachter, womit ein weiterer Perspektivwechsel vollzogen wird.

Der Dialog zwischen den teils eigens für die Ausstellung entstanden Arbeiten ist geglückt. In der Zusammenschau erhält Paravicinis virtuos zwischen den Medien mäanderndes Schaffen ein charakteristisches Profil: Immer wieder wird der Mensch, die «conditio humana» umkreist. Neben dem Spiel mit Wahrnehmungen liegt ein weiterer Fokus auf dem Alltäglichen, Skizzenhaften und Improvisierten. All das verbindet sich mit einer kritisch-humorvollen Haltung, die auch das Phänomen Kunst und die Rolle des Künstlers befragt und mit spielerischer (Selbst-)Ironie zur Debatte stellt.

Institutionen

Titel Land Ort Details
Benzeholz Raum für zeitgen. Kunst
Schweiz
Meggen

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Ausstellungen / Events

Titel Datum Typ Ort Land Details
Camillo Paravicini - Ausstellung Meggen Schweiz
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Ausstellung
Meggen
Schweiz