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Kader Attia — Vernarbte Zukunft

Der französische Künstler Kader Attia wuchs als Sohn algerischer Eltern in den Banlieus von Paris auf. Seine Erfahrungen trieben den Künstler zu einer soziokulturellen Recherche rund um den Begriff der Reparatur. Er untersucht diesen in seinem umfassenden Werk und verknüpft ihn mit interkulturellen Bezügen. Hat Wiederherstellung statt Zerstörung eine Zukunft?

Zürich — «Die ausgestellten Arbeiten von Kader Attia drehen sich um «Verletzung» und «Reparatur». Bei uns heisst Reparieren etwas wiederherstellen, heil machen und die entstehenden Narben dabei möglichst zu kaschieren», die Kuratorin Mirjam Varadinis zeigt auf eine der vier Holzbüsten auf Metallgestellen der Werkserie ‹Culture, Another Nature Repaired›, 2014-2020, des franko-algerischen Künstlers Kader Attia (*1970). Er erforscht seit vielen Jahren die Perspektiven unterschiedlicher Gesellschaften auf die Geschichte und thematisiert die koloniale Vergangenheit der westlichen Welt und deren Folgen. Mit dem Fokus auf die Erfahrungen von Unterdrückung, Gewalt und Verlust reihen sich auch die massiven Holzskulpturen in den Prozess seiner interkulturellen Recherche ein. Sie wurde in Senegal von Kunsthandwerker*innen nach Fotografien entstellter, «reparierter» Gesichter von Soldaten aus dem ersten Weltkrieg gefertigt, auf die Attia in französischen und deutschen Archiven gestossen ist.

Die Besucher*innen von‹Remembering the Future› werden in einer klar kuratierten Choreografie durch die sieben Räume geleitet. Die multimediale Ausstellung spielt mit einer Mischung aus emotionalen und rational einzuordnenden Arbeiten, die durch die dargestellten Formen von Gewalt gleichermassen nachdenklich stimmen. Als Beispiel die Installation ‹La Mer Morte›, 2015, in der blaue Kleidung wie von den Wogen des Meers zurückgelassen ausgebreitet sind und im Anschluss dazu im folgenden Raum ein antikes Fernrohr in einer Vitrine, das direkt auf die Lupe eines Mikroskops führt. Von ganz weit schauen und von ganz nah auseinandernehmen ist hier eine gelungene Analogie für die Blindheit, mit der aussereuropäische Subjekte, Objekte und Kulturen untersucht und klassifiziert werden. Dieses Wechselspiel erlebt eine gewisse Auflösung durch die neu entstandene Videoinstallation ‹Les entrelacs de l’objet›, 2020, in welcher der Künstler unterschiedliche Standpunkte zur aktuell viel diskutierten Frage nach der Restitution nicht-westlicher Artefakten gesammelt hat. Auch ohne direkte Schuldzuweisung trägt man das bittere Gefühl der Schuld durch den weiteren Verlauf der Ausstellung. Die Installation ‹Untitled›,2020, im letzten Raum soll laut Saalblatt versöhnen, aber auch die zehn mit rotem Harz reparierten, auf Gesichtshöhe präsentierten, kreisrunden Keramiken aus Nordafrika müssen erst verdaut werden. Ein kleiner aber wichtiger Schritt in Richtung der dringlichen Debatte um Wiedergutmachung.

Gianna Rovere, Master Kulturpublizistik, ZHdK, 2020

Institutionen

Titel Land Ort Details
Kunsthaus Zürich
Schweiz
Zürich
Zürich

Künstler:innen

Details Name Portrait
Kader Attia

Autor:innen

Details Name Portrait
Gianna Rovere

Ausstellungen / Events

Titel Datum Typ Ort Land Details
Kader Attia - Ausstellung Zürich Schweiz
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Ausstellung
Zürich
Schweiz