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Simon Kindle / Sara Gassmann — schwingen auf

Meggen — Anlässlich der Doppelausstellung von Simon Kindle (*1983) und Sara Gassmann (*1980) strömten zahlreiche Besuchende ins frisch renovierte Ausstellungshaus Benzeholz in Meggen. Dort wurde das Publikum mit der Frage nach Identitätsstiftung konfrontiert: Was ist Tradition, was Identität? Je globaler die Welt wird, umso wichtiger scheinen die lokalen Ressourcen der Identitätsstiftung zu werden. Im Vorgarten des Ausstellungshauses hat der Künstler Simon Kindle daher einen gelben Kubus aus Plastilin bereitgestellt, hinter welchem er ein abgewandeltes Wappen der Gemeinde Meggen aufgehängt hat. Eigentlich zeigt das Gemeindewappen eine Burgsilhouette sowie einen Habicht auf blauem Grund. Simon Kindle hat den Habicht jedoch aus der Komposition herausgelöst. Stattdessen ist das Publikum eingeladen, den Plastilin-Kubus zu bearbeiten und ein neues Wappentier zu entwerfen. Kindle, der vorwiegend konzeptionell und ortsbezogen arbeitet, forderte so zur Auseinandersetzung mit Geschichte, Lokalität und Identität auf. Dabei ruft die Arbeit am Plastilin-Kubus das Konzept der «invented traditions» (Eric Hobsbawm, Terence Ranger) wach, zumal selbst über das eigentliche Wappentier Uneinigkeit besteht: Auf einigen Darstellungen gleicht der Vogel eher einem Schwan als einem Habicht. Die alten Megger behaupteten gar, dass der Vogel im Wappen ein Kuckuck sei. Aufgrund seiner Vorliebe für systemische Ambivalenzen und humorvollen Hintersinn wundert es nicht, dass Kindle das Wappentier auch zum Thema seiner zweiten Arbeit macht. Im Dachgeschoss können die Besuchenden eine Volière begehen, die sich durch ein offenes Fenster in den Aussenraum fortsetzt. In der Volière mischen sich die Aussengeräusche mit dem Klang hastiger Flügelschläge, die über Lautsprecher in den Käfig dringen (Sounddesign Marco Baltisberger). Während die Besuchenden gefangen sind, bleibt unklar, ob der Vogel sich inner- oder ausserhalb der Volière befindet – nicht immer bieten Mythen und Symbole den festen Grund, den sie zu versprechen scheinen.

In gewissem Sinne gilt dies auch für das traditionsreiche Medium Malerei. Der angebliche «Tod der Malerei» ist schon beinahe zum Mythos geworden. Der Überlieferung nach, liess bereits die Erfindung der Fotografie durch Louis Daguerre den Maler Paul Delaroche ausrufen, die Malerei sei tot. Nach 1839, dem offiziellen Geburtsjahr der Fotografie, kam es immer wieder zu solchen Klagerufen. Gerade in den 1960er Jahren wurde unter dem Andrang neuer Strömungen das (erneute) Ende der Malerei prophezeit. Die Malerei hat sich jedoch nicht nur stetig weiterentwickelt und sich äusserst erfolgreich gegenüber anderen Medien behauptet. Sara Gassmann scheut sich auch nicht, sich mit dem Essentiellen des Mediums zu befassen. So interessiert sich Gassmann für die prozesshafte Verschränkung von Form und Farbe sowie von Figur und Grund – geradezu klassische Themen der Malerei, wie die Kuratorin Annamira Joachim betont. Im Untergeschoss sind zwei grossformatige Malereien zu sehen, das erste Obergeschoss wartet mit sieben weiteren Arbeiten mittleren Formats auf. Während der Bezug zum Ausstellungstitel ‹schwingen auf› bei Kindle auf der Hand liegt, bleibt er bei Gassmann eher assoziativ. Gleichwohl hat ihre Malerei etwas Bewegtes: Weder wirken die sich überlagernden Formen statisch, noch ist es der Pinselstrich, der stets sichtbar bleibt und den Arbeiten eine gestische Rhythmik und innere Dynamik verleiht. Dass sich ihre Formen bis in den Raum hinaus fortsetzen können, zeigt Gassmann im sic! Raum für Kunst, wo zeitgleich eine zweite Ausstellung von ihr zu sehen ist. Auf einem fast schon monumentalen Sockel, der mit rund tausend handgefertigten, schuppenartigen und bräunlich glasierten Ziegeln verkleidet ist, präsentiert Gassmann zehn seltsame Keramiken. Die röhrenförmigen, bunt bemalten Objekte ähneln einer Herde kurioser Fabeltiere – etwa in der Grösse kurzbeiniger Hunde oder Schafe. Die Bemalung der Keramiken legt einen engen Bezug zu ihrer Malerei offen und lässt zugleich die vage Erinnerung an traditionelles Kunsthandwerk aufscheinen. Die Oberflächenstrukturen schaffen hingegen Assoziationen zu Schlangenhäuten, Schuppenpanzern und Federkleidern, wodurch sich der Kreis gewissermassen schliesst – sowohl zu Gassmanns Malerei im Benzeholz wie zu Kindles Auseinandersetzung mit dem Megger Wappentier.

Institutionen

Titel Land Ort Details
Benzeholz Raum für zeitgen. Kunst
Schweiz
Meggen
sic! Raum für Kunst
Schweiz
Luzern
Luzern

Künstler:innen

Autor:innen

Ausstellungen / Events

Titel Datum Typ Ort Land Details
Sara Gassmann im Gespräch mit Yannick Steiner Gespräch/Vortrag Luzern Schweiz
Gespräch/Vortrag
Luzern
Schweiz
Künstlergespräch mit Sara Gassmann, Simon Kindle & Daniel Morgenthaler Gespräch/Vortrag Meggen Schweiz
Sara Gassmann - Ausstellung Luzern Schweiz
-
Ausstellung
Luzern
Schweiz
Sara Gassmann, Simon Kindle - Ausstellung Meggen Schweiz
-
Ausstellung
Meggen
Schweiz