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Was folgt auf die schwarzen Quadrate?

Schwarze Kunst- und Kulturschaffende, die in der Schweiz tätig sind, richten sich mit einem offenen Brief an hiesige Kulturinstitutionen. Darin fordern sie einen langfristigen antirassistischen Wandel.

Künstlerische Arbeiten, die kolonialistische Zusammenhänge oder rassistische Diskriminierungen aufzeigen, gehören mittlerweile zum Repertoire zahlreicher zeitgenössischer Kunstinstitutionen. Das Kunstfeld gibt sich gerne progressiv und aufgeschlossen. Doch der strukturelle Rassismus unserer Gesellschaft macht vor diesen Institutionen nicht einfach Halt. Darauf weist der offene Brief, unterzeichnet von mehr als sechzig Schwarzen Künstler*innen und Kulturschaffenden, ausdrücklich hin.

In der Adresszeile stehen 76 Institutionen, die am «Blackout Tuesday» in den sozialen Medien ein schwarzes Quadrat geteilt hatten. Diese Aktion galt in erster Linie der Solidaritätsbekundung mit den Protesten gegen Polizeigewalt und Rassismus gegenüber Schwarzen Menschen in den USA. Die Verfasserinnen und Verfasser des Briefes rufen dazu auf, über diesen «performativen Aktivismus» hinaus auch lokal hinzuschauen und aktiv zu werden. Um «Ihr Handeln gegen strukturellen Rassismus und White Supremacy in Ihren eigenen Strukturen selbst einzuschätzen und zu hinterfragen», liefern sie selbst einen Leitfaden mit, den hoffentlich nicht nur die angeschriebenen Akteure beherzigen werden. Er enthält Fragen zur Repräsentation Schwarzer Personen in der Programmgestaltung und innerhalb der Organisation, zu gerechten Anstellungs- und Lohnbedingungen, ethischen Richtlinien zu Geldgebenden sowie Ansprechstellen im Falle von Diskriminierungserfahrungen.

Seit der Veröffentlichung des Briefes sind zwei Wochen vergangen. Erster Zwischenstand: Einige Institutionen hätten seither direkt geantwortet, manche davon sich dabei mit den Fragen auseinandergesetzt, wobei erst wenige bekundeten, die Antworten öffentlich zugänglich zu machen, wie dies im Brief vorgeschlagen ist. Denn: «Uns bringen die beantworteten Fragen ja nichts», fügt die Künstlerin, Kuratorin und Unterzeichnerin des Briefes Deborah Joyce Holman an. Yara Laurine Gisler, Performerin und DJ, ergänzt im gemeinsamen Videocall: «Es geht nicht darum, Rassisten zu identifizieren, sondern das System, das rassistisch ist.» Dass viele an diesem System teilhätten, ohne dies zu wollen, müsste man zuerst anerkennen und dann korrigieren. «Wirkliche Solidarität benötigt langjähriges Engagement, bis die Institutionen an einem antirassistischen Punkt sind», so Holman. 

Zeit für uns Weisse, sich dieser längst überfälligen Aufgabe endlich zu stellen.

Offener Brief Schwarzer Künstler*innen und Kulturschaffenden in der Schweiz: www.blackartistsinswitzerland.noblogs.org

Anmerkung zur Schreibweise:
Schwarz wird hier grossgeschrieben, um zu verdeutlichen, dass es sich um eine Selbstbezeichnung und konstruierte soziale Identität handelt, nicht um eine reelle Eigenschaft, die auf eine vermeintliche Hautfarbe zurückzuführen ist.
 Weiterführende Quellen: Glossar der Neuen deutschen Medienmacher*innen, Amnesty International, Diversum

Autor:innen

Details Name Portrait
Irène Unholz