Skip to main content
Werkschau Kanton Zürich 2022 — Ian Wooldridge

Zuerst gehe ich am Eingang seines Ateliers vorbei. Zwar werfe ich einen kurzen Blick durch die Tür, doch die darin erblickten Bürotische und Bürostühle veranlassen mich dazu, weiterzugehen. Während ich im Gang des Bürogebäudes umherirre, erscheint Ian Wooldridge in der Türe und winkt mich heran. Ich sei hier schon richtig, er habe seinen Arbeitsplatz hier im Architekturbüro seines Partners. Zusammengerollt in einer Ecke liegt auch ihr Hund Hector, der mich sogleich freudig begrüsst. Mehr als einen Büroplatz braucht Wooldridge für seine Kunst nicht. Aus dem Bücherregal zupft er diverse Bücher mit Texten und Poesie von ihm. Hauptsächlich produziert Wooldridge aber Videoarbeiten, die er zu grossen Teilen aus gefundenem Material aus dem Internet zusammenschneidet. Dieses bearbeitet er mit Filtern, unterlegt es mit Musik und Textpassagen, ergänzt es mit selbst gefilmten Sequenzen und schafft so kurze Videos, die irgendwo zwischen Musikclip, TikTok-Beitrag, Werbespot, poetischer Reportage und psychedelischem Experiment liegen.

Aufgewachsen ist Wooldridge in London, wo er zuerst Fine Art und dann History of Film and Visual Media studiert hat. Neben seiner Kunst hat er eine Zeit lang auch Musikvideos, Modevideos und Werbung gefilmt – ein Einfluss, der auch in seiner Kunst sichtbar wird. Auch in dieser beschäftigt er sich damit, wie visuelle Sprache funktioniert, wie man eine Atmosphäre kreiert und was die unausgesprochenen Codes etwa der Businesswelt, der Social-Media-Plattformen oder der LGBTIQ-Community sind. Angesprochen werden dabei oft Themen wie Arbeitsbedingungen, Produktivitätsmanagement oder Aufmerksamkeitsökonomie. Doch seine Werke will Wooldridge als Poesie verstanden haben. Seine Filme sind keine kritischen Reportagen, sondern investigative Aneignungen der Ästhetik medialer Sprache. Dabei fasziniert ihn die Möglichkeit, in seinen Videos bestimmte Sprachen zu reproduzieren, aber auch unterlaufen zu können: «Mich fasziniert in meiner Kunst die Möglichkeit, den Raum, den ich erschaffe, kontrollieren und gestalten zu können».

Die Arbeit, die Wooldridge für die Werkschau produziert, trägt den Titel R:O:T:A – was so viel bedeutet wie Schichtplan oder auch Schichtwechsel. Für den etwa 15-minütigen Film benutzt Wooldridge Material aus einem Werbespot einer grossen Firma: Man sieht Menschen, die Billard spielen, eine Bar, Pflanzen – nur niemanden, der arbeitet. Untermalt von leichter Hintergrundmusik, kreist die Kamera im Infinity-Loop durch die lachenden Menschen. Filter verzerren die Szenerie zu einer unwirklichen Atmosphäre. Das Material ergänzt Wooldridge mit selbst produzierten Videoaufnahmen, die fiktive Momente einbauen und dabei die Sprache der Inszenierung gleichermassen auf die Spitze treiben wie auch parodieren.

Martina Venanzoni ist Kunsthistorikerin und freie Kuratorin u. a. für Shift Festival der elektronischen Künste, Basel sowie aktuell für FATart (Femme Artist Table).

Künstler:innen

Details Name Portrait
Ian Wooldridge

Autor:innen