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Werkschau Kanton Zürich 2022 — Marius Eckert

«Ich habe als Partyfotograf im Kanzlei Club in Zürich gearbeitet. Dort habe ich gemerkt, dass ich viel lieber die Momente einfing, in denen eine Schlägerei losbrach oder ein Gast in den Club kotzte, als eine lächelnde Clique zu fotografieren. Dies war aus Sicht des Clubs aber nicht interessant, weshalb sie das Arbeitsverhältnis auflösten.» So erklärt Marius Eckert die Anfänge seiner Suche nach dem Bruch mit der gängigen Ästhetik. Die Welt brauche nicht noch mehr Postkartenmotive, sondern die Momente davor und danach. 

Seine Bachelorarbeit in Camera Arts an der Hochschule Luzern hat er explizit als Gegenpol zur perfekten Inszenierung auf Instagram gestaltet: eine Toilette nach der Party, ein Tisch als zugemüllter Altar des Konsums, ein Typ in Unterhose und mit Pfefferspray in der Hand. Alles festgehalten mit einer analogen Kamera. «Irgendwann mitten im Studium hat meine Harddisk mit all meinen Bildern plötzlich den Geist aufgegeben. Nur ein schwarzer Ordner analoger Fotos blieb mir. Zwar konnte ich die Dateien am Ende wiederherstellen, doch die Angst des Verlustes sass so tief, dass ich nur noch handfeste Erinnerungen schaffen wollte.» Unterdessen stehen vier solcher Ordner in seinem kleinen Wohnzimmer mit tiefen Decken.

Aber nicht nur seine Nächte im Zürcher Partyleben, auch seine Lehre als Elektriker hat ihn in seinem Schaffen geprägt. Einerseits, weil er nach einem Jahr merkte, dass er etwas anderes will, als von 7 bis 17 Uhr Wände zu schlitzen und Anschlüsse zu installieren. «Als Kind habe ich viel gezeichnet, diese Leidenschaft wollte ich wieder aufleben lassen, deshalb habe ich mich für das Propädeutikum an der Zürcher Hochschule der Künste angemeldet. Doch dann habe ich meine Faszination für Film und Fotografie entdeckt.» Andererseits auch, weil er zwischen Rohbau und Pausenräumen von Menschen umgeben war, die keine Angst vor Tabuthemen und unvorteilhaften Posen hatten. Als er nach dem Studium noch einmal zurück auf den Bau ging, um sein Studiendarlehen zurückzahlen zu können, hat er Mikrowellengerichte, Mittagsschläfchen auf Europaletten und Männer auf meterhohen Leitern dokumentiert. 

In letzter Zeit habe er vor allem daran gearbeitet, diese Bildstrecke in eine Buchform (On Knees, Amsel Verlag) zu bringen. Erst im Rahmen seines Werkbeitrags hat er nach Monaten wieder zur analogen Kamera gegriffen. Für sein Projekt One Last Time, hat er seine Bilder erstmals mit einer Polaroidkamera inszeniert. «Als ich vor vier Jahren meine letzte Zigarette rauchte und mich dabei mit Selbstauslöser fotografierte, kam mir die Idee dafür.» Per Flyer hat er nach anderen Menschen gesucht, denen eine ihrer Gewohnheiten lästig geworden war und er hat ihr letztes Mal festgehalten – ganz ohne Postkarten-Ästhetik.

Carolin Teufelberger hat Journalismus und Organisationskommunikation an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften studiert und arbeitet als Journalistin.

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Marius Eckert

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