Skip to main content
Werkschau Kanton Zürich 2022 — Nicolle Bussien

Die am Zürichsee aufgewachsene und im bernischen Atelierhaus Schwobhaus tätige multidisziplinäre Künstlerin Nicolle Bussien hat es sich zur Aufgabe gemacht, vorherrschende gesellschaftliche Narrative und Denkmuster herauszufordern und durch die Perspektiven weniger sichtbarer Protagonist:innen aufzumischen. Ihre halbfiktionalen Videoarbeiten erforschen mehrdimensionale Lebensrealitäten und schaffen dezentralen, diskurserweiternden Wahrnehmungs- und Denkperspektiven ein Gehör. Seitdem sich Bussien kurz nach ihrem Bachelorabschluss in unterschiedlichen aktivistischen Kollektiven Rassismus- und Diskriminierungsfragen widmet, prägen diese auch die inhaltliche Ausrichtung ihrer künstlerischen Arbeit und leiten die intensive Recherchearbeit, die ihren Werken jeweils in Form einer Vielzahl persönlicher Gespräche vorangeht. So thematisiert beispielsweise die 2021 entstandene Videoarbeit Act privileged! (dt. Handle/Schauspielere privilegiert!) die situationsbedingte Symbolik von Stempeln: Deren Abdrücke können entweder zu Zeichen der sozialen Zugehörigkeit und Türöffnern etwa eines Nachtklubs fungieren oder aber im Passbüchlein zu ausschliessenden und diskriminierenden Machtsymbolen werden. Bussiens beständiges Interesse am Medium Video basiert dabei nicht zuletzt darauf, dass sie die inhaltlich zentrale Gegenüberstellung unterschiedlicher Blickrichtungen auch auf formaler Ebene durch wechselnde Betrachtungswinkel und Kameraführung sowie wenig lineare Schnittabfolgen aufgreifen kann, sodass die Videos zu mehrstimmigen Bewegtbildern werden. Schliesslich ermöglicht das Medium durch seine vom (oftmals exklusiven) Ausstellungsraum unabhängigen Präsentationsbedingungen auch ausserhalb der Kunstszene Begegnungen mit einem heterogenen Publikum und schafft so Raum für vielschichtigen Austausch. 

Die in der diesjährigen Werkschau präsentierte Arbeit Réviser les Lignes (dt. die Linien revidieren) reiht sich in die anhaltende Auseinandersetzung Nicolle Bussiens mit Diskriminierung und Ausgrenzung sowie ihr kontinuierliches Herausfordern von geradlinigen Gesellschaftsperspektiven ein. Auf poetische Weise richtet die Künstlerin im zweikanaligen Videoessay den Blick auf die für Fussballfelder charakteristischen weissen Markierungslinien, welche die (National-)Equipen voneinander abgrenzen und ihnen ihren jeweiligen Handlungsspielraum zuteilen. Kombiniert mit mündlich überlieferten Fussballerinnerungen aus dem Off, erhalten die abstrahierten Aufnahmen des Akts des Linienziehens einen metaphorischen Charakter und verleihen den persönlichen Erfahrungen der Protagonist:innen eine kollektive Geltungskraft. 

Selma Meuli ist freischaffende Autorin und Kuratorin. Sie ist Teil des Organisationsteams von Plattform23 und absolviert derzeit einen Master in Kunstgeschichte und Bildtheorie an der Universität Basel.

Künstler:innen

Details Name Portrait
Nicolle Bussien

Autor:innen

Details Name Portrait
Selma Meuli