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Werkschau Kanton Zürich 2022 — Val Minnig

Val Minnig entfernt den Zettel mit der Handynummer an der Eingangstür der Binz39. Dort hätte ich anrufen können, wenn ich – wie viele andere – bereits am klemmenden Eingangstor stecken geblieben wäre. Wir steigen die Treppen hoch, durchqueren den Ausstellungsraum und betreten das Atelier, welches jeweils für zwei Jahre wechselnden Kunstschaffenden von der Stiftung Binz39 zur Verfügung gestellt wird. Auf uns wartet bereits Gamba, Val Minnigs vierbeinige Begleiterin.

Wachteleier kann man im Internet bestellen und zuhause maschinell ausbrüten. Sechs Wachteln müssen gemäss Tierschutzverordnung eine Fläche von mindestens 0,5 Quadratmetern bei einer Mindesthöhe von 50 Zentimetern zur Verfügung stehen. Val Minnigs 27 Wachteln leben in einem Garten an der Hohlstrasse und haben mehr Platz. Auf dem Atelierboden in der Binz sind Fotografien der gefiederten Wesen ausgebreitet. Das Wandbild für das Kulturbüro in Zürich zeigt exemplarisch Val Minnigs Interesse, das sich meist in installativen Arbeiten manifestiert: Das Bild übersetzt Alltagsmomente, in denen Lebensräume von Menschen und Tieren aufeinanderprallen und visualisiert die Allgegenwärtigkeit von Tieren in unserer Gesellschaft. Humorvoll klagt Val Minnig nicht die Brutalität der Massentierhaltung an, sondern lässt das dahinter liegende Regelwerk deutlich werden. Eine Wachtel braucht eine minimale Raumhöhe von 50 Zentimetern – solche menschengeschaffenen Tatsachen wirken absurd und faszinieren und erschrecken zugleich. Die Arbeiten entstehen meist für konkrete Ausstellungssituationen und in Reaktion auf den jeweiligen Raum und Kontext. Diese Vorgehensweise hilft Val Minnig, den Fokus auf einem Thema zu behalten. Dabei knüpft Val Minnig oft an bestehende Werke an – Materialien wie Holzlatten finden in verschiedenen Arbeiten Verwendung und das technische Know-how ist allgemein zugänglich. 

Zurzeit formt Val Minnig Keramikkacheln eines alten Ofens ab. Ursprünglich wärmte dieser ein Herrschaftshaus und wurde später in einer einfachen Hütte neu verbaut. Inzwischen heizt ein elektrischer Ofen statt eines Feuers den Kachelofen auf. Die Kachelreliefs zeigen eine Figur mit Instrumenten, je nach Version lauscht ein Vogel, ein Hirsch oder Hund den Klängen. Hier klingen Themen an, die auch Val Minnig umtreiben: Welche kulturellen Darstellungskonventionen prägen uns und wie ändert sich das Verhältnis zwischen Mensch und Tier? Durch Abschleifen und Hinzufügen von Material entwickelt Val Minnig für die abgegossenen Kacheln aus künstlichem Giessharz ein neues Bildprogramm. 

Laura Breitschmid studiert Kulturpublizistik (MA Art Education) an der Zürcher Hochschule der Künste und arbeitet als Kuratorin.

Künstler:innen

Details Name Portrait
Val Minnig

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