Eric Lapierre im Gespräch mit
Paola Maranta und Quintus Miller
Seit mehr als 20 Jahren entwickeln Miller &
Maranta in Basel in ihrem Atelier Bauten und Projekte, welche das komplexe Verhältnis zwischen Architektur und kollektiver Erinnerung hinterfragen. Der italienische Architekt Aldo Rossi hatte in den
70er-Jahren des letzten Jahrhunderts das Verständnis der europäischen Stadt erneuert, indem er sie als den Ort der kollektiven Erinnerung und Geschichte schlechthin bezeichnete. Abgesehen vom Zusammenhang zwischen der Gebäude-
typologie und der Form der Stadt hat
er jedoch die Konsequenzen dieses Ansatzes, insofern es um die Gestaltung der Architektur selbst geht, nicht genau definiert; dies hat ihn dann bei seinen eigenen Bauprojekten dazu geführt, sich den rhetorischen Vereinfachungen der historisierenden Postmoderne anzunähern.
Miller & Maranta haben begriffen, dass die Architekturtypologie ein möglicher Ausgangspunkt für ein Projekt ist, aber nicht der einzige, und dass er auf jeden Fall ungenügend ist, wenn er nicht mit umfassenderen Überlegungen zur Präsenz der Gebäude als solcher und deren ikonografischer Wirkung einhergeht und auch deren Potenzial einbezieht, unmittelbar die persönliche und kollektive Erinnerung zu wecken und in Schwingung zu versetzen.
Rossi legte seinen Untersuchungen die Arbeiten des französischen Soziologen Maurice Halbwachs zugrunde, der die These vertrat, das kollektive Gedächtnis stütze sich vor allem auf die materiellen Gegebenheiten der Stadt und ihrer Bauwerke. Zu seiner Zeit bezog Halbwachs gegen den Philosophen Henri Bergson Position, der die These vertrat, das Gedächtnis sei allein durch den menschlichen Geist bestimmt. Die Arbeit von Miller & Maranta schlägt eine Überwindung dieses Gegensatzes vor, indem sie eine Architektur entwirft, die unter Berücksichtigung ihrer inneren Komplexität - auch wenn sich diese meist in scheinbar einfachen Formen zeigt -
in der Lage ist, verschiedene Gedächtnistypen anzusprechen, egal ob es sich um das fachliche Gedächtnis der wissenschaft-lichen Architektur selbst handelt oder um das mit einer bestimmten Kultur verbundene kollektive Gedächtnis. Eine Architektur also, deren Rohstoff das Gedächtnis selbst ist: Die Projekte von Miller & Maranta basieren - nach Bergsons Vertändnis -
auf der Manipulation des Gedächtnisses, zeitigen jedoch Räume, die - unter dem Blickwinkel von Halbwachs - dazu gedacht sind, bei den Personen, die diese Räume erleben, vergessene, manchmal unterbewusste Erinnerungen zu wecken. Die Projekte zeigen auf, welch gegensätzliche Pole die Architektur in sich vereint: die von Spezialisten kommentierte, wissenschaft-liche Disziplin auf der einen Seite, aber auch eine gesellschaftliche Kunst, in dem Sinn, dass die Bauwerke Allgemeingut sind, sobald sie im öffentlichen Raum errichtet werden. Das Interessante dieses Ansatzes liegt darin, dass er aufzeigt, wie ein Bauwerk nicht nur ein technisches, sondern ebenso sehr ein kulturelles Vorhaben ist, dessen Inhalte und Methoden an einen Ort geknüpft sind und bestimmte Emotionen transportieren. Fern aller Globalisierungsfantasien stecken Miller & Maranta einen eigenständigen Weg ab, fundiert, sensibel und zutiefst in der Schweizer Kultur verwurzelt, wie sie im folgenden Interview darlegen. Das Gespräch hat am 30. Juni 2013 in ihrem Wohnhaus in Basel stattgefunden, das - ähnlich wie ihr eigenes Leben -
eine Art existenzialistisches, der Architektur gewidmetes Kunstwerk darstellt.
Prof. Dr. Wolfgang Ullrich im Gespräch mit Thomas Huber
Es gibt Künstler, die eigentlich Kunstskeptiker sind. Die nicht malen, fotografieren oder Installationen entwickeln, weil sie glauben, damit liesse sich mehr ausdrücken als mit anderen Medien, sondern die es tun, obwohl sie Zweifel an den Möglichkeiten und der Verbindlichkeit von Bildern haben. Einer dieser Künstler ist Thomas Huber. Als Sohn eines Schweizer Architekten, der sich auf Kirchenbauten spezialisiert hatte, war Huber schon früh mit einer protestantischen Haltung vertraut, der zufolge das Wort am Anfang steht - nicht das Bild. Zugleich hat er gelernt, in Räumen und Proportionen zu denken, vor allem aber die soziale Dimension gestalterischer Tätigkeit ernst zu nehmen. Während man sonst höchstens von einem Architekten erwartet, dass er den Anspruch verfolgt, die Menschen durch seine Bauten in ihrem Verhalten zu prägen, erklärt Thomas Huber auch den Künstler «für die Umgangsformen seines Publikums verantwortlich». Statt sich nur um seine Werke zu kümmern, hat der Künstler den «Entwurf seines Publikums» als «seine wesentliche Aufgabe» anzusehen. Was das bedeutet, ist das Hauptthema des folgenden Gesprächs.
Es versucht, den Ort der Kunst als ein sich zeigendes Ereignis - und damit als ein Eräugnis - näher zu bestimmen.
Bice Curiger en conversation avec
Marc-Olivier Wahler
Le parcours professionnel de Marc-Olivier Wahler l'a conduit de Lausanne, Genève et Neuchâtel (où il a cofondé le CAN) à New York tout d'abord (comme responsable du Swiss Institute) puis Paris (comme directeur du Palais de Tokyo). Recherche, expérimentation et vivacité donnent toujours naissance à des projets marquants et transgressifs, que ce soit des expositions mises en scène sous forme d'événements jouant avec la spatialité ou des publications non conventionnelles comme les cinq volumes de la série Du Yodel à la physique
quantique. Le travail de Marc-Olivier Wahler repousse les limites. Les chiffres parlent d'eux-mêmes : dans les vingt dernières années, il a monté plus de 400 expositions. Rien qu'à Paris, il a organisé 192 expositions et 746 événements qui ont fait du Palais de Tokyo une des institutions d'art contemporain les plus visitées d'Europe.