Zilla Leutenegger — L’ouest ou l’est

Zilla Leutenegger · l’ouest ou l’est, 2019, Installationsansicht mit einem der Paravents und einem darin gespiegelten ­Konzertflügel. Foto: Serge Hasenböhler

Zilla Leutenegger · l’ouest ou l’est, 2019, Installationsansicht mit einem der Paravents und einem darin gespiegelten ­Konzertflügel. Foto: Serge Hasenböhler

Besprechung

Man könnte es die Poesie der Sparsamkeit nennen: Die ­Zürcher Künstlerin Zilla Leutenegger hat für die Abteikirche Bellelay unter dem Titel ‹L’ouest ou l’est› eine klingende und sehr zurückhaltende Installation geschaffen, die den Raum selbst zum Erlebnis macht.

Zilla Leutenegger — L’ouest ou l’est

Bellelay — Beim Betreten wirkt das Kirchenschiff beinahe leer. Nur ein Konzertflügel steht da. Sanfte Töne perlen durch den weissen Raum, der sich über den Klängen immer mehr zu weiten scheint. Die Tasten scheinen wie von Geisterhand bewegt. Kabel verraten, dass eine technische Steuerung die Töne anschlägt. Beim Weitergehen zeigt sich ein zweiter Konzertflügel im Chorraum, dieser ist zur Zeit des Ausstellungs­besuchs stumm. Die beiden Flügel sind das Herzstück der Intervention der Zürcher Künstlerin Zilla Leutenegger (*1968). Die Instrumente werden über Solarpanels aktiviert, die am Kirchturm installiert sind. Eines dieser Panels ist nach Osten ausgerichtet, das mit ihm verbundene Klavier erklingt am Morgen. Das andere Solarpanel ist nach Westen ausgerichtet und lässt am Nachmittag den zweiten Flügel ertönen. Nur um die Mittagsstunde sind beide Instrumente aktiv und verbreiten sachte, meditative Töne. Das hat im Kirchenschiff von Bellelay, das wie aus Licht und Leichtigkeit selbst gemacht zu sein scheint, eine faszinierende, träumerische Wirkung. Zilla Leutenegger ergänzt das Arrangement der beiden Konzertflügel mit zwei weiteren Arbeiten. Im Eingangsbereich findet sich, etwas versteckt, die reizende Wandzeichnung einer Kerze, deren Flamme lebhaft zu flackern scheint. In Kirchenschiff und Chor verteilt stehen zudem vier Paravents, deren Innenseiten mit spiegelnden Stahlplatten bestückt sind. Spiegelnde Flächen wurden bereits von Kunstschaffenden wie Romain Crelier und dem Duo Haus am Gern genutzt, um den Kirchenraum neu wahrnehmbar zu machen. Die Intervention von Zilla Leutenegger lässt offen, ob sie auf diese Vorgänger Bezug nehmen will oder ob sie sie ignoriert.
Auf den Spiegelflächen von Leuteneggers Paravents befinden sich Monotypien, Drucke von Früchten und Blumen, stark vereinfacht, flächig ausgeführt und in kräftigen, auf Kontrast angelegten Farben. Die Motive bleiben etwas rätselhaft: Es sind Wassermelonen und nicht eindeutig benennbare Blumen. Sie sollen in ihrer Banalität einen Gegensatz zum Erhabenen des Raums bilden und gleichzeitig an die Üppigkeit barocker Stillleben erinnern. Diesem doppelten und in sich widersprüchlichen Anspruch können die Drucke nicht ganz genügen. Dennoch ist ihr lebenssprühender Kontrast zum reinweissen Kirchenraum wohltuend, sodass man sich mehr Interventionen in diesem Sinne wünschte.

Until 
08.09.2019

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