Fokus GRafik — Zwischen Serie und Unikat

Evelina Cajacob · miu curtin 4, 2015, Farbstift auf Papier, Courtesy Bündner Kunstmuseum Chur

Evelina Cajacob · miu curtin 4, 2015, Farbstift auf Papier, Courtesy Bündner Kunstmuseum Chur

Besprechung

Das Bündner Kunstmuseum Chur zeigt grafische Schätze aus der eigenen Sammlung. ‹Fokus GRafik› stellt Werke von Bündner Kunstschaffenden aus den letzten 120 Jahren vor. Die Präsentation pendelt raffiniert zwischen Serie und Unikat und demonstriert eine moderne Umgangsweise mit dem Grafikbegriff.

Fokus GRafik — Zwischen Serie und Unikat

Chur — Der Rundgang beginnt im Kabinett der Villa Planta. Schnell wird klar, dass es hier nicht nur um Grafik im traditionellen Sinne geht. Grafik, im engeren Sinn, bedeutet künstlerische Drucke auf Papier – ein Vorgang, welcher der Vervielfältigung von Werken dient. Eine der ersten Arbeiten der Ausstellung jedoch ist ein Unikat. Zilla Leuteneggers ‹Little big sister› von 2016 ist als Monotypie enstanden. Diese Drucktechnik aus dem 17. Jahrhundert bringt nur ein einziges Exemplar hervor. Auch weitere zeitgenössische Werke – so etwa von Evelina Cajacob, Miguela Tamo und Lydia Wilhelm – sind Grafiken mit Unikatsstatus. Es sind Arbeiten, die sich der feinen zeichnerischen Linie widmen. Cajacob und Tamo haben ihre Werke freihändig verfasst, es gibt also keine Möglichkeit, diese Bilder nochmals genauso zu wiederholen. Auch das partizipative Werk von Wilhelm wird nie wieder so existieren wie in dieser Ausstellung. Denn es wird mit jedem beziehungsweise jeder Betrachter/in stetig erweitert. Mit einem Bewegungsmelder wird ein kleiner Motor in Gang gesetzt, der eine schwarze Kreide über eine am Boden liegende Leinwand zieht. Der Kreis, der entsteht, ist demnach eine Abbildung der Frequenz der Betrachtung ebendieses Werkes. Das Werk ist fertig, wenn die Ausstellung schliesst. Aber auch der klassische Grafikbegriff wird mit den Grossen der Bündner Sammlung generös behandelt. Die Familie Giacometti, Alois Carigiet, Andreas Walser, Ferdinand Hodler und Cuno Amiet vertreten einen eher traditionellen Zugang zu Grafik: Kaltnadelradierungen, Aquatinta, Lithografien und Holzschnitte, die das Schweizer Bauerntum darstellen, sind hier in bemerkenswerter Fülle zu betrachten. Die Auseinandersetzung mit der eigenen Kollektion rückt allgemeine Sammlungsschwerpunkte ins Zentrum. Das Bündner Kunstmuseum Chur trägt seit 1900 vor allem Werke von Künstler/innen zusammen, die sich mit dem Kanton Graubünden auseinandersetzen. In der Sammlung sowie in der Ausstellung liegt ein grosser Fokus auf dem Schaffen der Familie Giacometti. Im Kabinett werden unter anderem die delikaten ‹Sonnenkinder› gezeigt: Studien in Form von Farbholzschnitten unbekleideter, spielender Buben von Giovanni Giacometti von 1913. Das gleichnamige endgültige Werk, ein leuchtend gelbes Triptychon, befindet sich im ersten Stock des lichtdurchfluteten Herrschaftshauses. Ein gelungener Dialog zwischen Serie und Einzelstück, zwischen Studie und Resultat, zwischen Sammlung und Ausstellung.

Until 
21.10.2018

Text: Mentorinprojekt ZHdK, MA Kulturpublizistik

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