Russische Kunst in der Staatlichen Kunsthalle
Russische Kunst? Bunt und körperbetont, konzeptualistisch und provokativ: So kennt man sie seit einer Reihe ausstellerischer Grossprojekte. Oder glaubt nur, sie zu kennen? Ob das Bild nicht bloss eine westliche ethnografische Chimäre ist, geschaffen und genährt von geschäftstüchtigen östlichen Kunstvermittlern und willfährigen Künstlern, die Frage ist noch nicht geklärt.
Russische Kunst in der Staatlichen Kunsthalle
Sie zu beantworten, fällt auch nach einem Besuch der Ausstellung «HA KYPOPT!» mit zeitgenössischer russischer Kunst in der Staatlichen Kunsthalle Baden-Baden nicht leicht. Denn auch wenn die Kuratoren Matthias Winzen und Georgij Nikitsch einer Talmi-Kunst, die nur westliche Klischees bedient (und ausbeutet), gerade keine Bühne bieten wollten, treffen die oben genannten Attribute auf eine Vielzahl der Arbeiten der 35 KünstlerInnen der Schau, die im Anschluss in Moskau zu sehen sein wird, zu. Ihre Auswahl trafen sie bei einer - so Winzen - «offenen Recherche» in Moskau und St. Petersburg, Jekaterinburg und Nowosibirsk. Ohne thematisches Konzept möchte die Ausstellung ein Panorama der russischen Kunstproduktion seit den Neunzigerjahren bieten. So bekannte Namen wie Oleg Kulik und Sergej Schutow findet man; auch im Westen lebende Künstler sind vertreten. Freilich fehlt Ilya Kabakov. Und Boris Mikhailov ist als einziger Künstler älter als fünzig Jahre. Kunst der jüngeren und mittleren Generation also.
Und eben dezidiert: keine Klischee-Kunst. Tatiana Antoschinas Fotoserie «Europa» etwa bekräftigt nicht westliche Russland-Stereotypen, sondern fragt in allegorischen Figurationen ihrerseits nach der historischen und aktuellen Relevanz (oder Überholtheit?) der westlichen Kultur. Entsprechend dem bösen Wort vom «alten Europa» ist ihre mythische Europa eine blondierte nackte Greisin, die das Klon-Schaf Dolly stillt oder als «Queen of the night» mit Jünglingen schäkert.
Die Spannbreite des Gezeigten ist gross. Sie reicht von der Performance «Chthonisches Grauen» und jeder Menge anderer Performances bis zur clownesken Kunst der «Blauen Nasen». Spektakulär sind die mit Gänsefedern gefüllten Anti-Stress-Särge von Alexej Kostromas zum Probeliegen. Wladislaw Mamyschew ist diesmal nicht als Hitler oder Marilyn Monroe unterwegs, sondern, eingedenk der glorreichen, derzeit wieder belebten russischen Vergangenheit Baden-Badens, als Dostojewski-Wiedergänger. «HA KYPOPT!» ? das bedeutet übersetzt ja schlicht: «Auf in den Kurort»: einst die Losung der bäderwilligen russischen Hautevolee, die die Stadt an der Oos zu ihrem Lieblingsaufenthaltsort erkoren hatte. Auf nach Baden-Baden also!
Institutionen | Country | City |
---|---|---|
Staatliche Kunsthalle Baden-Baden | Germany | Baden-Baden |
Tatjana Antoschina |
Ilya Kabakov |
Alexei Kostroma |
Oleg Kulik |
Boris Mikhailov |
Sergej Schutow |
Show more |
Hans-Dieter Fronz |