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Selbstverständlich entscheidet der Kunstbetrieb - darin eingeschlossen der Kunstmarkt - über Präsenz und Bekanntheit von Kunstwerken und damit von Künstlerinnen und Künstlern. Daran schliessen sich Fragen nach der Qualität automatisch an. Es wäre falsch und allzu einfach zu behaupten, dass eine solche Bekanntheit bloss eine gemachte, gesteuerte und nicht auch vom Werk und seiner Aussage- und Wirkkraft abhängig sei. Aber im rasch rollenden Kunstbetrieb entsprechen Präsenz und Bekanntheit, entspricht das Wahrgenommen-Werden nicht immer und nicht unbedingt der Qualität. Künstlerische Präsenz ist nicht gleichbedeutend mit öffentlicher Präsenz. So gibt es viele Künstlerinnen und Künstler, die eher im Stillen kontinuierlich und konsequent an ihrem Werk arbeiten, dieses weitertreiben und weiterentwickeln - neugierig, fragend, selbstkritisch bleibend.
Die Urteile von heute sind nicht unbedingt die von morgen. Und die Kunstgeschichte zeigt: Urteile werden immer wieder revidiert, und das zu Recht - weil die Urteile der unmittelbaren Zeitgenossen oft kurzsichtig sein können, weil es - man denke nur an das Gerede vom "Ende der Malerei" - auch immer wieder Zeitgeistiges gibt, das sich im Nachhinein als blosse Verweigerung der Reflexion oder manchmal gar als Geschwätz erweist.
Der Prix Meret Oppenheim ist ein Versuch, Revisionen im Sinn von Wieder-Sehen, Neu-Sehen anzuregen und bestimmte Werke, Konzepte und Haltungen erneut in den Fokus zu rücken und zur Diskussion zu stellen.

Kommt noch etwas hinzu: Bis zum 40. Lebensjahr bewegen sich Künstlerinnen und Künstler in einem wohl ausgewogenen, gut ausgebauten System öffentlicher Förderung, regional, kantonal und national. Und das ist gut so. Aber dieses System, das auch medial gut gestützt ist, lässt manchmal verkennen, dass die Zeit "nach 40" zwar durchaus fruchtbar und wichtig für eine Werkentwicklung sein kann, dass dann aber auch harte Jahre folgen können, in denen der Kunstbetrieb an einigen mehr oder weniger achtlos vorbeirollt. Der Prix Meret Oppenheim schafft hier eine kleine Korrektur, indem Künstlerinnen und Künstlern "nach 40" mit einer beachtlichen Summe Anerkennung zuteil wird, manchmal längst verdiente.

Und ein Drittes: Im Kunstbetrieb gibt es Leistungen, die als selbstverständlich erachtet werden, ohne die der Betrieb aber um einiges ärmer wäre und wohl kaum funktionieren würde. Dazu gehören das Nachdenken über Kunst, die Reflexion über den Kunstbetrieb - und nicht zuletzt die Vermittlung durch die Lehre, durch Verlagsarbeit und durch das Schreiben. Der Prix Meret Oppenheim erinnert daran, wie wichtig solche Tätigkeiten für einen lebendigen Kunstbetrieb sind.

Zuletzt eine Bemerkung in eigener Sache: Der Prix Meret Oppenheim ist der wichtigste nationale Kunstpreis, den die öffentliche Hand vergibt. Deswegen ist es ein Anliegen, dass alle Landesteile zum Zuge kommen, nicht unbedingt proportional oder quotenmässig. Der Prix Meret Oppenheim 2008 wurde an zwei Künstlerinnen und an zwei Kunstvermittler aus der Deutschschweiz und an einen multimedialen Künstler aus dem Tessin vergeben. Die vorliegende Publikation aber ist ein Produkt aus der Romandie: Gestaltet wurde sie von Flavia Cocchi aus Lausanne, fotografiert hat der Westschweizer Fotograf Mario del Curto. Konrad Tobler

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