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Architekturvermittlung reloaded
Die Architektinnen und Architekten müssen ihre Rolle in der Gesellschaft überdenken: Sie sind Teil einer Industrie geworden, deren Akteure sich in den letzten Jahrzehnten rasant vermehrt haben und in der sie keinesfalls unangefochten an der Spitze stehen.
Offiziell geben zwar die kompromisslos konsequenten und visionären Architekten, deren Projekte und Gedanken in Zeitschriften und manchmal auch den Feuilletons publiziert werden, den Ton an. Gebaut aber werden die Städte von Architekten, bei denen von einer solchen Kompromisslosigkeit nicht viel zu spüren ist.
Irgendetwas ist aus den Fugen geraten, so scheint es einem, während man durch unsere un- bzw. pseudo-gestalteten Städte fährt. Versagen die Architekten oder versagt die Gesellschaft?
Tatsächlich ist gar nichts aus den Fugen geraten, sondern alles läuft in seiner Bahn. Architektur ist keine autonome Kunst, sondern immer Teil und Abbild gesellschaftlicher Prozesse. Zwar ist sie keineswegs determiniert und wird immer wieder anders und auf unvorhersehbare Art und Weise aus der Gesellschaft heraus produziert - aber niemand, der im Feld der Architektur tätig ist, kann sich den unterschiedlichen Einflüssen entziehen. Die Aufgabe sucht sich ihren Architekten. Was aber ist, wenn die Aufgabe falsch gestellt wird?
In der Profession will diese Problematik kaum jemand sehen. Es wird ein autistischer und tautologischer Diskurs gepflegt, bei dem der Bezug nach aussen meist nur Polemik ist. Der Umfang dieses Diskurses lenkt davon ab - er ist längst über das hinausgewachsen, was eigentlich dazu nötig wäre, damit sich die Kollegenschaft gegenseitig über Innovationen und Ideen informieren kann. Die meisten Bücher werden höchstens von denen gelesen, die sie schreiben.
So wird der - ja durchaus vorhandene - Diskussionsbedarf in Kreisen gestillt, in denen alle grundsätzlich ähnlich denken und in denen real kaum jemand etwas bewirken kann. Das entsprechende pseudointellektuelle Diskussionsvergnügen wird oft schon in der Hochschule eingeimpft. Oft ist weder Autor noch Leser klar, an wen ein Text gerichtet ist: Kunden? Kollegen? Forscher? Journalisten? An das eigene Ego?
Meist wird im Rausch dieser hypertrophen Diskursproduktion die dringendste, undankbarste und am wenigsten glamouröse Aufgabe übersehen: das Gespräch mit der Gesellschaft.
Nötig ist ein Dialog über Arbeitsweisen, Überzeugungen, Zweifel, Rollenverteilungen und Werte - und zwar mit denen, die Architektur benützen, und mit denen, die etwas dabei bewirken können, wie sie produziert wird. Nur so können die Bedingungen geändert werden, unter denen Architektur entsteht, und nur so kann die Architektur erneuert werden.
Es wird Zeit, den inneren Monolog zu beenden und in den Dialog zu treten. Auch wenn das hohe Ross dafür wahrscheinlich im Stall bleiben muss.

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