«Iconoclash – Jenseits der Bilderkriege in Wissenschaft, Religion und Kunst» im ZKM
Ein grünlich gleissender Lichtstrahl steht senkrecht zum weissen, horizontalen Schriftzug auf dunklem Grund: das Plakat zur Ausstellung «Iconoclash» verspricht Licht am Ende eines langen Weges; es geht um die Welt der Bilder und die Kämpfe um sie. Mit der breitgefächerten Darstellung des Ikonoklasmus, dem kulturellen Phänomen der Bilderzerstörung sowie der Bilderverehrung, wird dem Ausstellungsbesucher ein gewaltiges Potenzial an visuellen Erfahrungen geboten, die zu machen es sich in diesem Kontext auf jeden Fall lohnt.
«Iconoclash – Jenseits der Bilderkriege in Wissenschaft, Religion und Kunst» im ZKM
Es werden nicht nur eine Vielzahl von Kunstwerken vom Mittelalter bis zur Gegenwart präsentiert, sondern auch zahlreiche Dokumente, wissenschaftliche Objekte (Nebelkammer, Funkenkammer), mathematische Modelle sowie Bilder aus der Chaosforschung und Astronomie, die den Wahrheitsanspruch des Bildes auch von naturwissenschaftlicher Seite her beleuchten. Denn schliesslich wird mit dem ambitionierten Unternehmen nicht nur die Visualisierung eines erkenntnistheoretischen Modells über die Macht und Funktion von Bildern in Wissenschaft, Religion und Kunst betrieben, sondern zugleich der Anspruch formuliert, die Krise der Bilder als Krise der Repräsentation zu beschreiben und zu überwinden. Erarbeitet in Zusammenarbeit mit zahlreichen Theoretikern sowie den Kuratoren Adam Lowe und Hans-Ulrich Obrist erweist sich hier Peter Weibel, Direktor des ZKM, erneut als Wissenschaftler und Künstler zugleich, der geradezu visionär für den gesellschaftlichen Status der Kunst als Experte in Sachen Bild eintritt. Der Kopf ist rund, um die Richtung des Denkens ändern zu können, formulierte einst Francis Picabia, der mit «Spanish Lady with child», 1922, in der Schau vertreten ist. An diese Devise erinnert eine ungewöhnliche Ausstellungsarchitektur, die der linearen Lesart der Kunstgeschichte widerspricht und stattdessen das vernetzte Denken fordert, wobei zuweilen auch ein Blick an die Decke lohnend ist, von der Schriftbänder mit Texten hängen. Hier den Überblick zu behalten ist nicht einfach, selbst wenn man sich vorwiegend auf die moderne Kunst konzentriert: Durch einen Korridor mit einer Kakophonie von Tondokumenten hindurch geleitet, wird der Besucher am Ende des Treppenabstiegs zum Auftakt von drei Gemälden von Kasimir Malevich empfangen, dem «Schwarzen Quadrat», «Schwarzen Kreis», «Schwarzen Kreuz», alle um 1923, aus den Staatlichen Museen, St. Petersburg. Natürlich ist mit diesem Paukenschlag die historische Situation der Moderne angesprochen, die sich mit der Erfindung der Fotografie für die Malerei ergab. Diese konnte sich nunmehr, durch den Wegfall des wahrheitsgetreuen Darstellungsmodus, ihrer eigenen Realität als Medium der Repräsentation zuwenden. So stehen diese drei Gemälde des russischen Suprematismus für die argumentative Stategie des gesamten Unternehmens, mit der auf jenen Ikonoklasmus aufmerksam gemacht wird, welcher der Moderne und ihrer Kunst inhärent ist, eine Position, die den Wandel der Funktion von Bildern an den Anfang der Überlegungen stellt. Gleich hinter den dekonstruktivistisch anmutenden Raumelementen am Ausstellungsanfang fällt der Blick somit auf inzwischen historisch zu nennende Arbeiten von Künstlern wie Allan McCollum, Joe Baer, Imi Knoebel, Claude Rutault, Timm Ulrichs, Franz Erhard Walther. Orientiert man sich am Lage – und Begriffsplan zur Ausstellung, beginnt gleich hinter Malevich das Ende der Kunst, so gesehen also eine Sackgasse. Unter diesem Blickwinkel die Videoarbeiten von Marijke van Warmerdam, «Another Planet», 1998, und Tracy Moffat/Gary Hillbert, «Artist», 1999, zu betrachten, macht sie indes besonders reizvoll. Denn Einbahnstrassen haben immer einen Ausgang und sei es ihr Anfang. Angeboten wird beispielsweise eine Passage zu «Darstellungen der Zerstörungen von Darstellungen», einleitend fungieren hier Richard Hamiltons Konstruktionszeichnungen für die Rekonstruktion des «Grossen Glasses» von Marcel Duchamp 1915–1923, von 1965. Auf der anderen Seite des Parcours wird ein Blick in die Welt der wissenschaftlichen Bilder und Apparate (Koinzidenzzähler, Funkenkammer) geboten. Mathematisch interessierte Besucher können hier nachvollziehen, wie man über Zahlen zu Bildern gelangt und selbst naturwissenschaftliche Laien ahnen etwas von der Macht der wissenschaftlichen Bilder angesichts moderner medizinischer Bildtechniken und den heutigen Möglichkeiten der Visualisierung physikalischer Phänome durch Computerprogramme.
Etwas verkürzt kommt der Hinweis auf die Diffamierung der Moderne durch die Nationalsozialisten in dem Ausstellungsbereich «Vandalen contra Ikonoklasten» daher. Angebracht an einer Wand, in Nachbarschaft eines übermalten Porträts von Willi Baumeister, 1941, spricht der Text von «bestimmten Verfahren», denen sich die Nazis in der Austellung «Entartete Kunst», 1937, München, bedienten.
Bemerkenswert hingegen ist die Rekonstruktion von Arata Isozakis «Electric Labyrinth», 1968 auf der XIV Triennale di Milano gezeigt und zugleich zerstört durch Künstler, Intellektuelle und Architekturprofessoren der örtlichen Universität. Hans Ulrich Obrist interpretiert diesen Bildersturm als damalige Abwehr gegen die Vervielfältigung der Möglichkeiten des Sehens.
Zwei Ausstellungskabinette, reserviert für die mittelalterliche Kunst, widmen sich der ikonoklastischen Geste der Zerstörung des Anlitzes sowie dem Spektakel des kahlgeräumten Altarraumes, also den tradierten Positionen um das Thema der Bilderverehrung und Bilderzerstörung.
Vorwiegend die jüngere Künstlergeneration stellt sich dem Umgang mit postmodernen Ikonen sowie den unterbewussten Bildern im kollektiven Gedächtnis. Die Installation, «Ikone gegen Spiegel», 1996/2002, von Pavel Pepperstein verdeutlicht die Konstruktion und Dekonstruktion von Bildern als spannungsvollen Erkenntnisprozess und schafft dabei ein neues Bild mit geradezu plastischer Wucht.
In einer Gesellschaft, die mehr und mehr über visuelle Medien kommuniziert, bleibt die Frage nach der Funktion des Bildes spannend, das heisst inwieweit das Bild weiterhin als Medium der Erkenntnis oder als Stellvertreter der Macht funktionieren wird. Aus der Geschichte wäre der Schluss zu ziehen, dass sich an der Schwelle zu einem neuen Zeitalter auch ein Wandel des Bildbegriffs vollzieht. In diesem Zusammenhang will die Ausstellung vermitteln, dass den Bildern nicht so ohne weiteres zu trauen ist, und zugleich darauf hinweisen, welche zentrale Rolle ihnen im Prozess des Sehens und Erkennens der Kunst zukommt.
Katalog, englisch, hrsg. von Bruno Latour und Peter Weibel, ca. 700 Seiten, 35 Euro.
Bis 4.8.
Institutionen | Country | City |
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ZKM | Zentrum für Kunst und Medien | Germany | Karlsruhe |
Claudia Pohl |
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