Davaj! Russian Art Now, Museum für angewandte Kunst
«Davaj» heisst übersetzt «Los,los!». In der Wiener Ausstellung zeitgenössischer russischer Kunst bezeichnet diese Aufforderung eine Aufbruchstimmung und eine Momentaufnahme. Sieben Kuratoren und Kuratorinnen aus unterschiedlichen russischen Städten wählten 29 Künstler beziehungsweise Künstlergruppen aus, um einen kurzen Blick in das «Laboratorium der freien Künste in Russland» zu gewähren.
Davaj! Russian Art Now, Museum für angewandte Kunst
Mit diesem Untertitel sind zentrale Charakteristika der Ausstellung treffend bezeichnet: Es sind sehr experimentelle Werke, die sich jede Menge Freiheit nehmen. Befreit von alten Ideologien und «metaphysischen Obsessionen», befreit vom Blick auf die westliche Kunst, zeigt die Ausstellung eine unerwartet freche, humorvolle und durchaus kontroverse Kunstszene. Zur Eröffnung im MAK inszenierte Jelena Kowylina (Moskau und Berlin) eine provokante Performance. Sie fuhr mit einem Tretroller auf und ab, während für die Besucher Gewehre schussbereit lagen. Würde jemand auf die Künstlerin zielen? Die Luftdruck-Patronen fügen einigen Schmerz zu, und ein Schuss traf tatsächlich. Es war allerdings ein Versehen, denn alle Schützen zielten konsequent an Kowylina vorbei auf die Schiessbuden-Wand mit Flaschen, Pappfiguren und Kerzen. Eine weniger extrovertierte, sondern sehr gruppendynamische Selbstinszenierung präsentiert dagegen die sibirische Künstlergruppe Die Blauen Nasen. In ihren Videos drängeln sie sich eng nebeneinander, schneiden Faxen, bewerfen sich gegenseitig oder imitieren eine vertikale Bilderfolge. Für die Fotoserie platzieren sie sich in absurden Posen und Formationen auf einem Sofa, nur mit Unterhosen bekleidet, vor dem Gesicht simple Pappmasken von internationalen Politikern. Während Die Blauen Nasen eher als Komiker auftreten, fotografiert sich Bogdan Mamonow in einer Badewanne, die im Freien steht und mit braunem Stehwasser gefüllt ist. «Eintauchen in Realität» lautet der Titel. Andere greifen Details des Alltags auf. Kerim Ragimow fotografiert demolierte Markenzeichen an Autos, abgebrochene Mercedes-Sterne. Diese Statussymbole tauchen dann im zweiten Teil der Serie auf den verschiedensten Automodellen wieder auf. Alexander Schaburow zeigt «Der russische Superman Iwan Frosch – ein Wandermuseum». Unübersichtliche Mengen an Krimskrams persiflieren die Idee eines Museums und verwandeln den Wunsch nach einem Superhelden in eine absurde Flohmarktgeschichte.
Der Alltag als Themen- und Formenreservoir, das Spiel mit Mischformen von Hoch- und Trivialkultur, zynische Kommentare zur Lage und exhibitionistische Selbstinszenierungen kennzeichnen die ausgestellten Werke. Allerdings präsentiert sich kaum eine Arbeit schlicht als Werk, fast alle bedienen sich einer Aktion oder zumindest einer eigenwilligen Präsentation zur dramatischen Brechung der Banalität.
Diese Brechungen nimmt auch die Ausstellungsarchitektur auf: Sämtliche Wände bestehen aus billigen OSB-Platten, und die Video-Auswahl auf zwölf Monitoren ist wie eine Bar-Theke mit rotem und blauem Licht installiert. Hier kriecht dann Maxim Iljuchin in einem engen Tunnel direkt auf uns zu – ins Licht. Andrei Ustenow nennt seinen Video-Blick in eine Kloschüssel schlicht «Narziss» – am Ende spiegelt sich sein Konterfei im Urin. Analog zielen auch ein Grossteil der Künstler und Künstlerinnen mit humorvoll-sarkastischem Blick auf die eigene Person, auf die eigene Situation, womit hier das Konzept einer Momentaufnahme perfekt eingelöst wird.
Bis 22.9.
Institutionen | Country | City |
---|---|---|
MAK - Museum für Angewandte Kunst | Austria | Wien |
Maxim Iljuchin |
Jelena Kowylina |
Bogdan Mamonow |
Kerim Ragimow |
Alexander Schaburow |
Sabine B. Vogel |
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