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Daniel Karrer — Malerei war niemals analog

Winterthur — Analog und digital galt lange als robustes Gegensatzpaar. Daniel Karrer zeigt mit seinen Malereien, wie die Grenzen zwischen den beiden spielerisch verschwimmen können.

Post-Internet-Art heisst die beliebte Formel, mit der Kunst bezeichnet wird, die inhaltlich irgendwie vom Internet handelt, ohne medial auf das Internet beschränkt zu sein. Oft fällt darunter Kunst, die mit analogen Mitteln Themen des digitalen Diskursmultiversums behandelt. Die Metaphysik dahinter ist bestechend: Das Virtuelle war demgemäss schon immer real. Sein ist also nicht nur Schein, sondern Schein eben auch Sein. Das Internet ist keine künstliche Realität, sondern Teil der Realität. Software ist Hardware – ob man Silizium oder Ölfarbe benutzt, ist auch eine ästhetische Frage. Insofern erhält digitale Ästhetik eine Schlüsselrolle für Post-Internet-Künstler. So auch für den Schweizer Künstler Daniel Karrer (*1983), dessen Solo-Show derzeit in der Kunsthalle Winterthur zu sehen ist.

Bereits beim Betreten der Ausstellung entführt uns Karrer in die Tiefen seiner mit leuchtendem Grün, Pink, Blau, Grau, Weiss und Schwarz gesättigten Bilderwelt, die das Auge auffordert, sich ihr hinzugeben. An den Wänden hängen Hinterglasmalereien in verschiedenen Grössen. Zu sehen sind zunächst allerlei Farbflächen. Sie setzen sich aus mehreren, ausgeklügelt verschachtelten Schichten zusammen. Das Auge kommt nicht ganz mit, obwohl die Bilder eher ruhig als hektisch sind. Von Zeit zu Zeit entdeckt es die verschwommenen Überreste einer Landschaft oder eines Objekts. Die Motive findet der Künstler im Internet. Dieses gebraucht er als Bild-Archiv, das quasi auf Anfrage Found-Footage bereitstellt. Die «reale» Herkunft der aufgenommenen Motive spielt demnach keine Rolle. Die gemalten Objekte sind nicht als Bilder von Objekten zu lesen, sondern als pure Simulakren: Bildhüllen, deren Zweck nicht darin besteht, etwas abzubilden, sondern das Abbilden selbst vorzuführen.

In Karrers Malereien geht es aber weniger um Wahrnehmungskritik als vielmehr um ein verspieltes Interesse an formal-ästhetischen Belangen. Sanfte Verläufe wechseln sich mit lustvollen Pinselstrichen ab, harte Konturen verzahnen sich mit puderweichen Tupfern. Die Farbe wird abwechselnd vom Gegenstand zum Raum, ihre Optik wird stellenweise fast haptisch. Irgendwie scheint alles zu schweben. Ein Video im Nebenraum zeigt virtuelle Fahrten über Karrers Bilder, die in das Suchprogramm Google-Earth geladen wurden und darin eine landschaftsartige Topografie erhalten. Die digitalisierte Farbe erhält materielle Züge, während es in den Malereien gerade umgekehrt verläuft. Die Farbe flirtet mit dem Virtuellen, simuliert das Digitale und demonstriert mit diesem Akt: Malerei war schon immer mehr als nur analog. Wir sehen das einfach erst seit kurzem.

Institutions

Title Country City Details
Kunsthalle Winterthur
Switzerland
Winterthur
Winterthur

Artist(s)

Details Name Portrait
Daniel Karrer

Exhibitions / Events

Title Date Type City Country Details
Daniel Karrer - Ausstellung Winterthur Switzerland
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Ausstellung
Winterthur
Switzerland