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Kulturprodukt Natur

Luzern — Im Industriezeitalters war es common sense, dass die Natur und mit ihr alles Naturwüchsige dem menschlichen Geiste durch Technik und Wissenschaft untertan gemacht werden musste. Erst in den 1970er-Jahren schlug diese Ansicht in ihr Gegenteil um: Die Beschäftigung mit der durch den Menschen «gefährdeten» Natur wurde zur zentralen Menschheitsaufgabe erklärt. Natur und Kultur stellen jedoch selten zwei sauber zu trennende Sphären dar. Auf diesen Umstand verweist nicht nur der französische Philosoph Bruno Latour, sondern auch die Kunst, zumal Natur oftmals erst durch Kultur definiert und als solche erfahrbar gemacht wird. In Luzern widmen sich derzeit gleich mehrere Ausstellungen diesem hybriden Themenkomplex.

‹Hybride› heisst denn auch Verena Vanolis Ausstellung in der Galerie Müller. Die von «Eis» überzogenen Schwemmhölzer schimmern im einfallenden Licht. Bei näherer Betrachtung entpuppt sich das Eis jedoch als Kunstharz, welches das Holz «konserviert». In den Kunstharzmantel sind Produkte wie Kosmetik und Reinigungsschwämme eingegossen: Während ungewiss bleibt, ob das Naturwüchsige vom Kunstharz geschützt oder erstickt wird, scheinen Kosmetik und Schwämme auf das menschliche Bemühen hinzuweisen, das Leben vom «Schmutz» und Zerfall zu befreien, die dem Natürlichen notgedrungen innewohnen. Im gleichen Spannungsfeld bewegt sich die Gruppenausstellung ‹affaires naturelles› im Kunstpavillon. Angela Anzi, Brigham Baker, Françoise Caraco, Susanne Hofer und Paulina Mellado loten aus unterschiedlichen Perspektiven die problematische Dichotomie natürlich – künstlich aus und hinterlassen kaleidoskopisch-bunte Eindrücke eines heterogenen Untersuchungsfelds. Im Raum für zeitgenössische Kunst Benzeholz fungiert die Natur hingegen vor allem als Sprungbrett in eine innere Welt. Die Künstlerin Edith Flückiger konfrontiert die Besuchenden mit einer ‹Paysage intime›, einer Videoansicht eines idyllischen Weihers im sich wandelnden Tageslicht. Ausstellungsraum um Ausstellungsraum entmaterialisiert Flückiger die äussere Natur jedoch, zersetzt sie in zeit-räumliche Versatzstücke. Die mehrteilige Video-Sound-Installation changiert zwischen Innen- und Aussenansichten – bis nichts mehr bleibt ausser einer Soundkulisse, welche die Betrachtenden auf sich selbst zurückwirft.

Der Eindruck verstärkt sich: Die Geschichten vom Aufeinandertreffen von Natur und Kultur sind noch nicht zu ihrem Ende gekommen. Gerade die Kunst macht jedoch deutlich, dass Natur zuvorderst ein Kulturprodukt ist – weniger im materiellen, als im erkenntnisstiftenden Sinne. Ob als Idyll, Heimat oder Bedrohung, als Natur- oder Seelenlandschaft, geschütztes oder gefährdetes Gut, Vorstellungen von Natur erscheinen heute disparater und widersprüchlicher denn je. Es verwundert daher nicht, dass der Themenkomplex Natur – Kultur gerade im Anthropozän ein äusserst fruchtbares Feld für die künstlerische Auseinandersetzung darstellt.

≥ Verena Vanoli – Hybride, Galerie Müller, bis 28.10.2017
≥ affaires naturelles, PTTH://, bis 30.9.2017
≥ Edith Flückiger – Weite Zeit, Benzeholz Raum für zeitgenössische Kunst, bis 1.10.2017

 

Institutions

Title Country City Details
Galerie Müller Luzern
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Luzern
Luzern
Kunstpavillon Luzern
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Luzern
Luzern
Benzeholz Raum für zeitgen. Kunst
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Meggen

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Exhibitions / Events

Title Date Type City Country Details
Edith Flückiger - Ausstellung Meggen Switzerland
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Ausstellung
Meggen
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affaires naturelles - Exhibition Luzern Switzerland
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Exhibition
Luzern
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Verena Vanoli - Ausstellung Luzern Switzerland
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Ausstellung
Luzern
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