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Kunstmuseen und Galerien in der zweiten Welle — Ein Plädoyer für gestaffelte Besuche, statt radikale Schliessungen

Museen und Galerien mussten wie die meisten Einrichtungen während des Lockdown im Frühling schliessen, um den Ausbruch der Covid-19-Pandemie in Schach zu halten. Nach einem Sommer mit wenigen Ansteckungen rollt nun – wie dies Virologen vorausgesagt haben – mit den fallenden Blättern die zweite Welle heran.

Im Wallis, das nebst den Kantonen Genf und Waadt im Moment besonders stark betroffen ist, hat der Präsident des Regierungsrats Christophe Darbelley letzte Woche partielle Lockdowns verordnet, so auch für Freizeiteinrichtungen, wo grössere Gefahren lauern. Ausgenommen sind Bergunterkünfte und Skilifte, die im Rahmen von Schutzkonzepten offen bleiben sollen, um den Unterländern die Flucht aus der Nebelsuppe zu ermöglichen.

Für die Museen ist dies hart, denn die Ansteckungsgefahr ist dort nur bei grösseren Menschenansammlungen erheblich. Diese bilden sich allerdings nur bei Veranstaltungen wie Vernissagen, Happy Hours, Künstlergesprächen etc. Alle diese Events sind in den letzten Jahren mit Blick auf die Besuchrzahlen so stark gefördert worden, dass man offenbar selbst in der Politik die Kunsträume fast nur noch als Ausgangsorte wahrnimmt. Museen existieren jedoch vor allem, um ein künstlerisches Patrimonium zu sammeln, zu bewahren und zu vermitteln sowie dem Schaffen heutiger Künstler eine Sichtbarkeit zu geben.

Kunst gehört uns allen, und gerade in schwierigen Zeiten, kann sie uns dadurch Trost bieten, dass sie selbst intimste Ängste und Hoffnungen in eine Form bringt und dadurch objektiviert. In den letzten Jahren haben die Neurowissenschaften sogar Beweise für die heilende Wirkung von Besuchen in Gemäldegalerien und anderen Kunstkabinetten erbracht. Man kann wohl nicht behaupten, dass Bilder eine besänftigende Wirkung haben (sollen sie auch nicht!). Es ist wohl eher das Oszillieren unserer Aufmerksamkeit zwischen dem Ganzen und Details, zwischen eigenen und fremden Erkenntnissen, die unsere eigenen Nöte relativieren und so eine katharsische Wirkung erzeugen.

Viele Museen haben auf den radikalen Lockdown im Frühjahr wunderbar imaginativ durch digitale Plattformen reagiert. Dennoch können diese Kunst nur bedingt vermitteln. Selbst scheinbar zweidimensionale Objekte wie Gemälde, Zeichnungen, Drucke und Fotografien leben von Texturen. Entscheidend für eine Begegnung mit Kunst ist auch, wie man sich auf sie zubewegt und wieder von ihr Abstand nimmt – es sei denn, es handle sich um digitale Kunst, die spezifisch für Flat Screens und elektronische Medien konzipiert wurde.

Dieser Winter droht lang und für viele schwierig zu werden. Es wäre deshalb wünschenswert, wenn die Behörden nur im äusserten Falle wieder Schliessungen von Kunstmuseen und Galerien erwägen würden. Vielmehr liesse es gewiss viele Herzen höher schlagen, wenn die Bevölkerung in den lokalen Museen wie auch den Galerien weiterhin gestaffelte Besuche wahrnehmen könnte – als Einzelperson, Paar, Familie wie auch auf Anmeldung als Kleinstgruppen. Es ist jedenfalls eine Chance, dass sich solche Institutionen in der Schweiz nicht einfach in den Städten konzentrieren, sondern es landab, landauf Kunsträume auf höchstem Niveau gibt. Schutzkonzepte für Kunstmuseen und Galerien sind meist gut zu bewerkstelligen. Man berührt bei Ausstellungsbesuchen meistens nichts, bewegt sich nur langsam, spricht, wenn überhaupt, nur leise mit seinen Nächsten.