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Offener Brief — Schwarze Kunstschaffende richten sich an alle Kunstinstitutionen

Vor einem Jahr forderten Schwarze Kunstschaffende einen antirassistischen Wandel in Schweizer Kulturinstitutionen. Nun ziehen sie Bilanz, und die zeigt: Es bleibt noch viel zu tun.

In einem offenen Brief vom 9. Juni 2020 wurden Kulturinstitutionen adressiert, die sich in den sozialen Medien mit der Black-Lives-Matter-Bewegung solidarisierten (artlog). Kern des damaligen Briefes waren ein Fragekatalog im Sinne einer konstruktiven Selbstevaluation zum Thema Antirassismus sowie die Forderung, diesen öffentlich zu beantworten und damit Transparenz zu schaffen.

Von 76 adressierten Institutionen haben nach einem Jahr gerade einmal drei ihre Antworten publik gemacht, schreiben die Schwarzen Kunstschaffenden nun in einem erneuten offenen Brief. In der Zwischenzeit hatten auf Nachfrage weitere Kunstinstitutionen im Kunstbulletin geäussert, dass der Brief intern durchaus Prozesse verstärkt und in Bewegung gesetzt habe.

Die Bilanz der Schwarzen Kunstschaffenden fällt nach einem Jahr dennoch grösstenteils negativ aus. Von einer «Vielfalt von frustrierenden Reaktionen» berichten sie im neuen Brief: «Darunter die Erwartung unentlohnter Arbeit in Form von informellen Treffen, anstatt bezahlte Berater*innen für die Dekonstruktion rassistischer Strukturen zu engagieren.»

Der neue Brief unterstreicht auch nochmals dezidiert die Erfahrungen von anti-Schwarzem Rassismus in der Schweiz, wovon der Kunstkontext keineswegs ausgenommen ist, wie über hundert Unterzeichnende bezeugen. Ihre Unterschrift unter dem letzten Brief hätte für einige sogar negative Konsequenzen gehabt. «Dies unterstreicht und bekräftigt die Dringlichkeit einer tieferen Konfrontation mit strukturellen Vorurteilen, die in der weissen Vorherrschaft verwurzelt sind und sich als Anti-Schwarzer Rassismus äussern.» 

Der Aufruf richtet sich diesmal an sämtliche kleineren und grösseren, alternativen und institutionalisierten Kunsträume. Er enthält konkrete Forderungen wie die Berücksichtigung von Schwarzen Kunstschaffenden über identitätspolitische Themen hinaus und proaktive Anti-Rassismus-Strategien auf institutioneller Ebene. All das setzt auch eine persönliche kritische Auseinandersetzung mit unserer «sozialisierten Wahrnehmung des Weissseins als Standard» voraus.

Den ‹Brief an die Kunsthäuser in der Schweiz› in voller Länge lesen.

Author

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Irène Unholz