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Werkschau Kanton Zürich 2022 — Izidora I LETHE

In eindrücklicher Redegewandtheit führt Izidora I LETHE ins künstlerische Schaffen ein und wechselt dabei fliessend zwischen druckreifem Englisch und breitem «Züridütsch». Von den Studienjahren in San Francisco sind einige Anglizismen haften geblieben, die den Wortschatz bereichern, mit dem LETHE die eigene künstlerische Arbeit beschreibt. Während unseres Videoanrufes sitzt LETHE im lichtdurchfluteten Atelier in der Zürcher Binz39 und kann hier zusammen mit anderen Stipendiat:innen während zweier Jahre der Arbeit nachgehen. Der Standort des Ateliergebäudes am linken Limmatufer könnte dabei nicht passender sein, verweist der Künstler:innenname doch auf einen Fluss der griechischen Mythologie und zugleich auf eine Form interdisziplinärer Recherche, die einem kontinuierlichen Zusammenfliessen unterschiedlicher Ausdrucksformen gleicht. Ob in Installation, Choreografie, Video, Skulptur oder Zeichnung – jeweils begleitet von korrespondierenden Schreibprozessen –, widmet sich die stark konzeptuelle Arbeit der kritischen Befragung historischer Kanons. Diese sucht LETHE durch unterschätzte Arten der Produktion und Vermittlung von Wissen aufzubrechen. Der dominierenden, einstimmigen Sicht auf die Welt wird so eine Polyvokalität entgegengehalten, welche die binären Denkweisen über Natur/Kultur sowie bezüglich Gender und Herkunft herausfordert. Ausgangspunkt ist dabei jeweils der Körper, den – sei er non-binär/trans*, queer, weiblich, postmigrantisch oder postkolonial – LETHE als Ort der Produktion und Speicherung von übersehenem Wissen versteht. Schlussendlich sind es diese körperlich eingeschriebenen Epistemologien, die LETHE in der eigenen Arbeit zu mobilisieren und zugänglich zu machen versucht. Die gewählte künstlerische Formensprache situiert sich deshalb im offenen Spektrum der Abstraktion, welches Raum für andere Arten des Seins und Beziehens lässt.

Auch in der für die diesjährige Werkschau konzipierten Arbeit CONVERSION (glow), 2022, kombiniert LETHE diverse Medien zu einem installativen Ganzen. Den Hintergrund bildet dabei ein Wandbild, das während des Ausstellungsaufbaus in Abwesenheit des Publikums von fünf Performer:innen markiert wurde. Davor positioniert sind fünf semi-transparente Zeichnungsarbeiten: TRANSIRE [    , TRANSIRE ł    , TRANSIRE ❨   , TRANSIRE ⎜   , TRANSIRE ⎝    . Sie schlagen potenzielle «Scores» vor – konzeptuelle Parameter für mögliche, noch ausstehende Interventionen. Das in der Arbeit beinhaltete transformatorische Potenzial bietet sich dabei nicht nur den möglichen Performer:innen, sondern ebenso den Besucher:innen an. Gleichzeitig greift die Arbeit die Geschichte des Ausstellungsgebäudes der Werkschau auf. So wie einst in der ehemaligen Strom-Umformerstation Selnau, werden auch in LETHES Arbeit Energien umgewandelt und zugleich körperlich angetriebene und nie abgeschlossenen Werdensprozesse angestossen.

Selma Meuli ist freischaffende Autorin und Kuratorin. Sie ist Teil des Organisationsteams von Plattform23 und absolviert derzeit einen Master in Kunstgeschichte und Bildtheorie an der Universität Basel.

 

 

Artist(s)

Details Name Portrait
Izidora I LETHE

Author

Details Name Portrait
Selma Meuli