Skip to main content

Ein bärtiger Pilzforscher der Elterngeneration als Stichwortgeber für junge Künstler/innen, die sich im Digitalen zu Hause fühlen? Gar nicht so abwegig, wenn man das Projekt ‹The Mycological Twist› anschaut. Dieses wurde 2014 von Eloïse Bonneviot und Anne de Boer gestartet, indem sie im Hof des Londoner Offspace Jupiter Woods aus dem dort herumliegenden Gerümpel eine Skulptur bauten, die gleichzeitig Struktur für das Züchten von Speisepilzen ist. Seither finden vor Ort und im Netz gemeinsame Mahlzeiten mit den gezüchteten Pilzen, experimentelle Ausstellungsformate, Vorträge, Performances und Workshops mit Beteiligten aus Kunst, Aktivismus und Forschung statt. Ausgehend von der Idee des Gartens als kontrolliertes Ökosystem sind etwa Ökologie, Nahrung oder Medizinalpflanzen Thema. Hier sieht aber nichts nach Urban-Gardening-Romantik aus. Bezugspunkte sind eher dystopische Science-Fiction und die Verbindung von Ökologie, Technologie und DIY. Der Ausdruck «mycological twist» stammt aus einem Text des besagten Pilzforschers Paul Stamets, der neue Anwendungen von Pilzen in Medizin, Agrikultur und Renaturierung nach Katastrophen vorschlägt. Zudem spricht er von den Pilzmyzelien als dem Internet der Natur. Es ist wohl nicht zuletzt diese metaphorische Verbindung zum Digitalen, die Stamets zur treffenden Referenz macht für dieses Projekt, in dem der Austausch von Wissen und die Verzahnung von Virtuellem und Handfestem (bzw. Essbarem) zentral sind. Der Austausch von Wissen, von User zu User, von Experten oder Institutionen ist schliesslich einer der positivsten und funk­tionierenden nicht-kommerziellen Aspekte des Netzes, auch wenn er oft mithilfe von kommerziellen Plattformen wie YouTube stattfindet. Das Myzel von ‹The Mycological Twist› reicht übrigens bis in die Schweiz, zum Berner Offspace Riverside und zur kollektiven Kunstfigur Agatha Valkyrie Ice, die zurzeit für das Programm des Basler Oslo10 verantwortlich zeichnet. Beide waren beteiligt an einem einwöchigen offenen Workshop bzw. einer kollektiven Performance, die im kommerziellen Online-Überlebensspiel Rust stattfand, das in einer unwirtlichen, post-apokalyptischen nahen Zukunft spielt. Ein treffender Ort, um über Kunstproduktion in Krisenzeiten, das Überleben als Künstler und Mensch in Zeiten von Austerität und drohendem ökologischen Kollaps zu diskutieren.

Infos

Date
Type d'œuvre d'art
Digital Art
Share