Roman Gysin / Mitchell Anderson — Berührung und Distanz
Zwei junge Künstler zeigen unter den Sheddächern der Kunsthalle 8000 unterschiedliche Herangehensweisen an die Widersprüche unserer Zeit. Einmal ist es eine handwerkliche Haptik, die sich die Entfremdung der Welt zum Thema nimmt, ein andermal sind es dystopische Dioramen.
Roman Gysin / Mitchell Anderson — Berührung und Distanz
Wädenswil — Roman Gysins Installation ‹Woody Shopper› spielt mit Lesarten, Materialien, dem Raum und sogar mit den Worten. Die Holzarbeiten erscheinen mal roh, mal manieriert, abwechslungsweise das eine oder andere und sogar gleichzeitig beides: Der spielerische Grenzgang führt vorbei an geschliffenen, mit Leinwand überzogenen Holzreliefs, lose ausgelegten, schimmernden Seidenbändern oder rohen Holzrinden und -spänen. In präzisem Gegenüber sind die hölzernen Arbeiten in den luftig hohen Ausstellungsräumen der Kunsthalle 8000 schwebend vor die Wand montiert oder am Boden ausgestreut. Der virtuos-museal inszenierte Kunstraum ist seit 2020 in einer ehemaligen Metallwerkstatt am Rand des Industriegebiets von Wädenswil untergebracht. Eine Ausstellung pro Jahr widmet die Stiftung Talos, die den Kunstraum betreibt, der Gewinnerin oder dem Gewinner eines ihrer drei Preise. Dieses Jahr hat der Förderpreisträger Roman Gysin (*1984) die Ehre.
In der Metallwerkstatt liess übrigens einst nicht nur Stiftungsmitgründer Lori Hersberger, sondern auch Sylvie Fleury Metallobjekte galvanisieren. Bei Fleury war es ein vergoldeter Einkaufswagen. Ihr Werk kommt unmittelbar ins Spiel, wenn es um ‹Woody Shopper› geht: Die spielerische Annäherung an die Welt des Konsums, die immer auch ein ironisch-distanziertes Kommentieren ist, gehört zu Fleurys genauso wie zu Gysins Arbeiten dazu. Bei aller Spielerei mit Schein und Sein gibt es aber auch Unterschiede. Bei Gysin bleibt das Bearbeiten des Materials, anders als bei Fleury, als Handwerk und unmittelbare Berührung immer präsent.
Komplementär zur formal sinnlich geprägten Sprache des Handwerklichen setzt die zweite Ausstellung im kleineren Raum historisch aufgeladene Fundstücke ein und regt zum Nachdenken an. Der in den USA geborene Schweizer Künstler Mitchell Anderson (*1985) nennt die Schau trügerisch ‹Landschaftsgemälde›: An den Wänden hängen Hunderte Kopien von FBI-Aufzeichnungen, die Bewegungen während der berühmt gewordenen Tragödie des Columbine High School Shooting zeigen. Am Boden liegen Styropormodelle noch berühmterer Schlachtfelder, wie sie eine texanische Firma kriegsbegeisterten Modellbauern zum Kauf anbietet. In diesen dystopischen Dioramen kommt das Fundament künstlerischer Leichtigkeit definitiv ins Schwanken. Hier gibt es keine Form mehr, auf der das Auge ausruhen könnte, geschweige denn ein Material, das die Hand gerne berühren würde.
Institutionen | Pays | Ville |
---|---|---|
Kunsthalle 8000 | Suisse | Wädenswil |
expositions/newsticker | Date | Type | Ville | Pays | |
---|---|---|---|---|---|
Roman Gysin — Woody Shopper | 04.03.2023 - 19.08.2023 | exposition | Wädenswil |
Schweiz CH |
|
Mitchell Anderson — Landschaftsgemälde | 04.03.2023 - 19.08.2023 | exposition | Wädenswil |
Schweiz CH |
Mitchell Anderson |
Roman Gysin |
Sabine v. Fischer |