Siren Songs / Sinister Sirens

Marlene McCarty · Untitled (Bend Over Become Salvation), 1993; Mitchell ­Anderson · Join (the Great Peace March [Keith Haring, 1986]), 2023, Ausstellungsansicht Kunstforum Baloise Park. Foto: Kilian Bannwart

Marlene McCarty · Untitled (Bend Over Become Salvation), 1993; Mitchell ­Anderson · Join (the Great Peace March [Keith Haring, 1986]), 2023, Ausstellungsansicht Kunstforum Baloise Park. Foto: Kilian Bannwart

Vittorio Santoro · A Clear Scraped Mirror (Le miroir; Le psychopathe; La normalité), 2022, 2 Spiegel, einer mit teils abgekratzter Silberbeschichtung, Bleistift auf Wand und Spiegelrückseite, 36 x 32 x 0,6 cm. Foto: Kilian Bannwart
 

Vittorio Santoro · A Clear Scraped Mirror (Le miroir; Le psychopathe; La normalité), 2022, 2 Spiegel, einer mit teils abgekratzter Silberbeschichtung, Bleistift auf Wand und Spiegelrückseite, 36 x 32 x 0,6 cm. Foto: Kilian Bannwart

 

Hinweis

Siren Songs / Sinister Sirens

Basel — Die Auseinandersetzung mit Sprache ist wie ein Sirenengesang: Unzählige Philosoph:innen, Linguist:innen, Sprach- und Sozialwissenschaftler:innen haben sich im Verlauf der Jahrhunderte mit ihr beschäftigt und danach gefragt, welcher Logik sie folgt, wie sie mit dem Denken und dem Handeln zusammenhängt und in was für einem Verhältnis sie zur Umgebung, zum Körper, zum Emotionalen oder Unartikulierten steht. Auch aktuell ist die Sprache wieder in aller Munde: Streitereien rund ums Gendern und darüber, was man alles noch sagen darf, dominieren den öffentlichen Diskurs, genauso wie Fake News und Verschwörungstheorien. Wie David gegen Goliath stellt sich die Ausstellung ‹Siren Songs / Sinister Sirens› im Kunstforum Baloise Park diesem theoretischen Koloss.
Die Gastkuratorinnen Arianne Gellini und Linda Jensen vom Zürcher Kunstraum Last Tango haben sich für einen Ansatz entschieden, in dem sie der «Handlungsfähigkeit» oder «agency» von Sprache nachgehen. Darunter verstehen sie die «Fähigkeit … nach eigenen Kräften zu handeln und sich mit den dringlichen Realitäten, die uns umgeben, auseinanderzusetzen». Deutlich wird dieser Aspekt etwa in Nicole Bachmanns Arbeit ‹shell of hope, in cycles›, 2022. In der auf Video dokumentierten Performance sprechen und singen vier Performer:innen, während sie körperlich miteinander und mit der sie umgebenden Landschaft interagieren. Sie benennen und deklinieren Emotionen und lassen Schlagworte fallen wie «no center», «sediments», «accept my multitude», «de­feating ourselves» oder «care». Letzteres wird unangenehm oft wiederholt: «Do we really really really care?» Während in Bachmanns Arbeit die Handlungsfähigkeit in Bezug auf die Klimaerwärmung und Umweltverschmutzung im Zentrum zu stehen scheint, rückt Fiona Banner aka The Vanity Press mit ‹Bones›, 2002, die Sprache als Mittel der Gewalt und Diskriminierung in den Fokus: Unter einer zerbrochenen Glasscheibe ist eine Grafitzeichnung über und über mit Beleidigungen beschrieben, welche die Künstlerin selbst erfahren hat. Eine Referenz auf Sprache als häufig diskutiertes Mittel zur Erlangung von Selbstbewusstsein findet sich dagegen in Vittorio Santoros Arbeit ‹A Clear Scraped Mirror (Le miroir; Le psycopathe; La normalité)›, 2022: In Anlehnung an Jacques Lacans Spiegelstadium setzt der Künstler die Worte «Not I» und «Not Me» in ein verwirrendes Verhältnis zueinander und lenkt damit die Aufmerksamkeit auf das Selbstbewusstsein, die Verantwortung und das eigene Handeln. 

Jusqu'à 
27.10.2023

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