Gábor Ösz im Büro für Fotos
Eine grossformatige Farbfotografie zeigt, vom Land aus aufgenommen, eine unregelmässige, teils mit Gras bewachsene, teils felsige Küstenformation. Das gleichmässige Licht erscheint milchig hell und lässt die Demarkationslinie zwischen Himmel und Meer im Ungefähren verschwimmen. Das Bild ist die Nummer 18 einer zwanzigteiligen Serie, welche der Künstler Gábor Ösz unter den Titel «The Liquid Horizon», 1999-2001, stellte. Die Aufnahme entstand am 5.9.2001 im norwegischen Stavern; die angegebene Belichtungszeit ist mit 4 Stunden 15 Minuten länger als die meisten Spielfilme.
Gábor Ösz im Büro für Fotos
Mit der Serie «The Liquid Horizon», aus der nun fünf Arbeiten im Büro für Fotografie gezeigt werden, bewegt sich der seit 1993
in Amsterdam lebende Künstler Gábor Ösz (*1962 in Ungarn) in mehrfacher Hinsicht auf historischem Terrain. «Seit einigen Jahren», schrieb er 2003, «beschäftige ich mich mit den Analogien zwischen fotografischen Techniken und Architektur oder genauer gesagt, Ausblicken aus Gebäuden.» Der Blick auf eine stets mehr oder weniger diffuse Horizontlinie, den seine Fotografien bieten, entspricht dem von deutschen Soldaten, die während der letzten Jahre des Zweiten Weltkriegs aus den Bunkern des so genannten «Atlantikwalls», der sich von Spanien bis nach Norwegen erstreckte, die bevorstehende Invasion der Alliierten abwehren sollten. Ösz transformierte die ruinenhaften Kriegsarchitekturen in eine Camera Obscura; das in die Beobachtungs-Bunker eindringende Licht erzeugte auf den lichtempfindlichen Fotopapieren, die er in ihrem Inneren installierte, postromantische Seestücke - eine Herangehensweise, die auch technologiekritische Ansätze wie Paul Virilios «Bunker-Archäologie» produktiv macht. So erscheint das von Ösz eingesetzte, technologisch überholte Verfahren der Camera Obscura nicht zuletzt wie ein Reflex auf das zum Zeitpunkt ihrer Erbauung bereits veraltete Prinzip der Atlantikwall-Bunker, konzeptionell ein Relikt der Stellungskämpfe des Ersten Weltkriegs. Indem die Bunkerräume als Kamera fungieren, werden die Betrachter der Aufnahmen gewissermassen in deren Inneres zurückversetzt. Die Bilder vermitteln ebenso eindrücklich die Eintönigkeit einer mehrstündigen Wache, wie sie eine erwartungsvolle Spannung auslösen. Zugleich stehen Ösz? Panoramen in provozierendem Widerspruch zur Spektakularisierung von Kriegsschauplätzen à la Hollywood. Seine Bilder komprimieren mehrere Stunden weitgehender Ereignislosigkeit in einem einzigen Still.
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