Ingrid Calame in der Galerie Rolf Ricke
Ingrid Calame aus Los Angeles hat in den letzten Jahren eine wiedererkennbare Bildsprache entwickelt, die an den Abstrakten Expressionismus erinnert - sich aber einem kalkulierten Malprozess verdankt.
Ingrid Calame in der Galerie Rolf Ricke
Mittlerweile ist Ingrid Calame (*1965) unter den jungen Malerinnen und Malern bekannt, selten noch werden ihre bunt-bewegten und durch tropfenartige Strukturen geprägten Gemälde mit aktionistischer Malerei in Jackson Pollocks Fussstapfen verwechselt. Wer dennoch die dynamischen Kompositionen und klar abgegrenzten Farbfelder mit den Altmeistern der New-York-School vergleicht, erhält sofort eine Erklärung: Calame sammelt, datiert und archiviert die Umrisse von Flecken und Spuren auf dem Boden ihres Ateliers oder dem Bürgersteig. Die penibel aufgezeichneten Silhouetten arrangiert sie neu, überträgt sie massstabsgetreu in Buntstift-Zeichnungen und wiederum auf Aluminiumtafeln. Unter ihrer Hand entstehen Oberflächen, Muster und Texturen, die weniger auf die Präsenz eines Fleckenmotivs setzen, denn auf ihre Montage. Die unterschiedlichen Komplexe verdichten sich in farbiger Opulenz zu Strukturen, die Bildzentrum und Rahmen negieren, der nun lediglich als frei gewählter Ausschnitt wirkt. Der Zufall spielt also nur am Anfang des kalkulierten Bildprozesses eine Rolle.
Wer dieses Fleckensammeln für eine Art höheren Blödsinns oder eine Künstlermarotte hält, unterschätzt die Rolle der Reflexion in ihrer Arbeit, etwa die Beschäftigung mit der Ideologisierung des Abstrakten Expressionismus als Triumph der amerikanischen Malerei. Auslieferung an den Zufall und gestische Bewegtheit in Pollocks Drippings hatte man mit «westlicher» Freiheit und der Feier von Autorschaft verknüpft. Zwanzig Jahre nach dem Beginn der Postmoderne, dem «Tod der Malerei» und den ersten Gemälden eines Peter Halley oder David Reed ist das im Bewusstsein einer jungen Generation abstrakter Maler verankert und wird ihnen zum selbstverständlichen Ausgangspunkt ästhetischer Produktion. Bei Calame steht nun der ästhetische Effekt weit im Vordergrund: Sinnhaft, bunt und dynamisch erscheinen ihre Gemälde, deren Struktur die Imagination des Betrachters heraus-, zuweilen sogar überfordert.
In Köln stellt sie neben Zeichnungen und den dazugehörigen Tafeln noch wandfüllende Malerei auf Kunststoff-Folie aus dem umfassenden Projekt «Secular Response» vor. Calame hat in einer Etage der New Yorker Börse ihre gesammelten Flecken ausgelegt und auf Pauspapier zusammengefasst. Die Verschmelzung des etwa 1.400 qm umfassenden Grundrisses mit den Silhouetten bildet den Ausgangspunkt der Komposition. Dass jedes Gemälde in formatsprengender Grösse Ausschnitt bleiben muss, kann die konzeptuelle Dimension des Projekts andeuten; ausgeführt würde es eine Hochhaus-Fassade bedecken.
Institutionen | Pays | Ville |
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DAM | Allemagne | Köln |
Ingrid Calame |
Michael Krajewski |