Skip to main content

Léa: Liebe Nadia, wie würdest du aus deiner Perspektive als Präsidentin das vergangene Jahr aus Sicht der Eidgenössischen Kunstkommission beschreiben?

Nadia: Neben jährlich wiederkehrenden Rendez-vous, wie der Ausstellung der Swiss Art Awards in Basel oder der Verleihung der Prix Meret Oppenheim, die zu den Höhepunkten des Kommissionsjahrs gehören, sind vor allem zwei Ereignisse hervorzuheben, die positive Folgen haben werden. Das eine ist die zweitägige Retraite im Alten Hospiz auf dem Gotthardpass (kürzlich von den diesjährigen Prix Meret Oppenheim-Preisträgern Miller und Maranta umgebaut), an der sich die Kunstkommission intensiv mit dem Thema der Preise für Kunst und Architektur auseinandergesetzt und Visionen für die Zukunft entwickelt hat. Das andere ist ein Treffen mit Verantwortlichen des Bundesamtes für Bauten und Logistik, das die zukünftige Zusammenarbeit im Hinblick auf «Kunst am Bau»-Projekte zum Gegenstand hatte. Erfreulicherweise sind in den nächsten Jahren einige vielversprechende Wettbewerbe für «Kunst am Bau» in repräsentativen Neu- und Umbauten des Bundes geplant.
2013 war zudem ein kulturpolitisch diskussionsintensives Jahr. Die Vorbereitungen zur zweiten Kulturbotschaft für die Jahre 2016-2019 sind hinter den Kulissen schon in vollem Gange und die verschiedenen kulturellen Akteure seit über einem Jahr aktiv, um ihre Forderungen zu formulieren und beim BAK zu platzieren. Als unabhängige, vom Bundesrat eingesetzte Fachkommission kommt der EKK verstärkt eine kulturpolitische Scharnierfunktion zu; sie vermittelt zwischen den Akteuren der Kunstszene und dem Bundesamt für Kultur, übermittelt, was in der Szene diskutiert und gefordert wird, und nimmt selbst kritisch Stellung zur Kulturpolitik des Bundes. So war die EKK Anfang dieses Jahres beispielsweise gefordert, eine Stellungnahme zu fünf vom BAK erlassenen Fragen im Hinblick auf die nächste Kulturbotschaft zu verfassen. In Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft Visuelle Kunst (letztes Jahr gegründet) geht es zurzeit darum, die zentralen gemeinsamen Themen zu eruieren, die kulturpolitisch auf den Tisch gebracht werden müssen, um Einlass in die nächste Kulturbotschaft zu finden.
Abwesend in all diesen Diskussionen waren bisher leider die Künstler und Künstlerinnen selbst. Während beispielsweise die selbstorganisierten Kunsträume auf die Streichung des Preises für Kunsträume sofort reagiert und diesen Sommer eine Petition lanciert haben, scheinen viele Kunstschaffende gar nicht wahrgenommen zu haben, dass für sie heute weniger Geld zur Verfügung steht. Klar, kann man argumentieren, dass Künstler Individualisten seien und sich nicht gerne verbünden. Aber wie sollten sie sonst in kulturpolitischen Fragen eine Stimme haben? Und wie soll man sie als Gruppierung ansprechen können, wenn doch eine Mehrheit nicht Mitglied des Berufsverbandes Visarte ist?
Das BAK ist heute schon dabei, einen ersten Entwurf der neuen Kulturbotschaft zu entwerfen. Könntest du kurz den weiteren Ablauf des politischen Prozesses schildern?

Léa: Die Kulturbotschaft oder genauer gesagt die «Botschaft zur Förderung der Kultur in den Jahren 2012-2015» regelt die nationale Kulturpolitik. Sie legt die Schwerpunkte, also Stossrichtungen und Interessengebiete für das Bundesamt für Kultur, Pro Helvetia, die Schweizerische Nationalbibliothek und das Schweizerische Nationalmuseum fest und sichert deren Budgets für vier Jahre. In der aktuellen Botschaft wurde der Schwerpunkt zudem auf die übergreifenden Querschnittsthemen der «lebendigen Traditionen» und der «digitalen Kultur» gelegt. Während wir nun mit diesem neuen gesetzlichen Rahmen Erfahrungen sammeln, ist bereits die Vorbereitung der nächsten Phase angelaufen. Gegenwärtig werden die Grundzüge für die zweite Auflage 2016-2019 erarbeitet. Ein erster Entwurf der neuen Botschaft wird aber schon im Laufe von 2014 für die Vernehmlassung bereit sein. Das Verfahren erfordert viel Geduld, auch für die Verwaltung und die Vertreterinnen und Vertreter der Kunstszene. Doch es bietet den Vorteil, dass wir einen Dialog pflegen.

Nadia: Es wird für die visuelle Kunst sehr wichtig sein, sich in der nächsten Kulturbotschaft einzubringen, wenn sie nicht noch weitere Verluste erleiden will. Während Kultursparten wie Musik oder Film gute Lobbyarbeit im Parlament machen, gibt es für die visuelle Kunst keine vergleichbare Initiative. Wie können sich die Künstler und Künstlerinnen also konkret in diese Diskussion einbringen?

Léa: Mir ist keine Schweizer Kunstlobby bekannt. Aber es gibt erste Ansätze für organisierte Interessenvertretungen im Kulturbereich. Dabei denke ich beispielsweise an die unabhängigen Kunsträume, die sich auf nationaler Ebene organisiert haben. Wir haben uns Anfang Jahr mit ihnen an einen Tisch gesetzt, um sie über zur Verfügung stehende Unterstützungsmassnahmen zu informieren. 2012 fielen die Eidgenössischen Preise für Kunsträume weg. Was manche Kunstraumvertreter als existenzbedrohend empfanden.
Unser Ziel ist es, einen offenen und produktiven Dialog aufzubauen. Wir sassen zusammen und stellten fest: «Okay, in eurem Bereich gab es erhebliche Kürzungen. Jetzt müssen wir nach vorn blicken und prüfen, welche Optionen in diesem neuen Umfeld für euch bestehen.» Dieser Austausch hilft vielleicht nicht, die Miete zu bezahlen oder eine Produktion abzugelten. Aber der Wert besteht im Austausch. Die Frage, die sich die Verwaltung in diesem Fall stellt, lautet: Wie können wir unparteiisch sein, politische Vorgaben korrekt umsetzen und zugleich die Interessen und Bedürfnisse der Szene berücksichtigen? Das ist im Übrigen eine wichtige Aufgabe der Kommission: die Interessen der Organisationen der Kunstschaffenden geltend zu machen und somit einen mehr oder weniger direkten Einfluss der Kunstszene auf die Tätigkeit der Verwaltung auszuüben. Es wäre falsch, wenn sich das Amt zu einer Hors-sol-Verwaltung entwickeln würde, der der Bezug zur künstlerischen und ökonomischen Realität auf nationaler und internationaler Ebene abginge. Eure Feedbacks und Inputs setzen uns unter positiven Druck. Auch deshalb können die ausserparlamentarischen Kommissionen in unserem politischen System auf eine lange Tradition zurückblicken. Meine Frage an Dich, Nadia: Das Kulturförderungsgesetz (KFG) ist nun seit zwei Jahren in Kraft. Wie beurteilt die EKK das Gesetz und seine Auswirkungen?

Nadia: Dass die Schweiz nun gefordert ist, im Hinblick auf die Kulturbotschaften Visionen zu entwickeln, ist grundsätzlich positiv. Noch nie zuvor wurde bei uns so viel über Kultur beziehungsweise Kulturpolitik diskutiert wie heute - und dies auf allen Ebenen: zwischen Bund, Kantonen und Städten, aber auch zwischen einzelnen Interessenvertretern und Verbänden. Eine erfreuliche Entwicklung, auch wenn die Diskussionen bisher nicht immer fruchtbar waren und der Hintergrund nicht ganz uneigennützig ist - schliesslich ist die Kulturbotschaft vor allem eine Finanzierungsbotschaft. Dies bedeutet, dass es vorrangig darum geht, die Spielregeln für die Verteilung des Kulturbudgets festzulegen. Da jedoch das Kulturbudget trotz Aufstockung der Aufgaben (z.B. Schaffung von Preisen in allen Kultursparten beim BAK, Nachwuchsförderung in allen Bereichen bei Pro Helvetia) gleich geblieben ist, ist der Verteilkampf naturgemäss nicht kleiner geworden.
Was das Gesetz selbst angeht, so muss man feststellen, dass viele Entscheide gefällt wurden, ohne die Fachebenen in den Prozess einzubeziehen. Dies betrifft beispielsweise die Neuverteilung der Aufgaben zwischen BAK und Pro Helvetia. So ist das BAK heute im Bereich des Kunstschaffens ausschliesslich für die Vergabe von Preisen und Auszeichnungen zuständig, während Pro Helvetia alle anderen Kulturförderungsmassnahmen übergeben wurden (Nachwuchs- und Projektförderung, Biennalen etc.). Natürlich war es notwendig und richtig, die Zuständigkeiten von BAK und Pro Helvetia zu klären. Dennoch zeigt die Praxis, dass die vorgenommene Aufgabenteilung auf dem Reissbrett entworfen wurde und im Alltag nun ganz neue Schwierigkeiten mit sich bringt.
Auch muss ich erneut daran erinnern, dass die Neuverteilung der Aufgaben eine Umschichtung der Budgets zur Folge hatte - dies leider zu Ungunsten des aktuellen visuellen Kunstschaffens. Was sind deiner Ansicht nach die Bedingungen dafür, dass die Budgeteinbussen im Bereich der Preise und Auszeichnungen von Kunst und Architektur in der Kulturbotschaft 2016-2019 wieder ausgeglichen werden?

Léa: Seit 2010 ging der Betrag der Preise, die im Rahmen des Wettbewerbs ausgeschüttet werden, von rund 810 000 Franken auf 500 000 Franken zurück. Diese Regelung bleibt bis Ende 2015 erhalten. Künftig wird es zunehmend darum gehen, den Auszeichnungen mehr Strahlkraft zu verleihen. Also wieder eine gewisse kritische Grösse zu erlangen, die den Preisträgerinnen und Preisträgern grosse öffentliche Aufmerksamkeit sichert, auch in den Medien. Was sich momentan noch nicht beurteilen lässt, ist, wie sich die Aufgabenteilung zwischen Pro Helvetia und dem BAK sowie die neuen Förderungsmassnahmen wie beispielsweise diejenige zugunsten des Nachwuchses auswirken werden.
Was denkst Du, sind die Swiss Art Awards deiner Meinung nach ein gutes Instrument zur ­Unterstützung der Kunstschaffenden? Weshalb?

Nadia: Absolut. Ich bin nach wie vor überzeugt davon, dass die Eidgenössischen Preise für Kunst und Architektur und die dazugehörige Ausstellung Swiss Art Awards in Basel ein hervorragendes Förderinstrument für Künstlerinnen und Künstler sind. Es entspricht dem Credo der Kunstkommission, die Künstlerschaft auf möglichst direktem Weg zu unterstützen, Gelder nicht an einen bestimmten Zweck zu binden und administrative Kosten möglichst tief zu halten. Der Preis bedeutet Anerkennung - er wird in der Szene oft als «Gütesiegel» verstanden - und ermöglicht den Kunstschaffenden zugleich ein konsequentes Weiterverfolgen ihrer Arbeit und ihrer Ziele. Der Wettbewerb ist zudem höchst demokratisch (es dürfen sich alle bewerben), was es ermöglicht, in der Ausstellung einen breiten Überblick dessen zu präsentieren, woran die Künstlerinnen und Künstler heute arbeiten. Die Entscheidung, die Ausstellung Swiss Art Awards parallel zur Art Basel zu präsentieren, bringt den Arbeiten grösstmögliche Sichtbarkeit in einem internationalen Kunstkontext. In keiner Institution würde man in so kurzer Zeit ein so grosses Publikum (2013 waren es rund 8200 Personen in 7 Tagen) erreichen können, das sich mehrheitlich aus Fachleuten aus der Schweiz, aber auch einer Anzahl internationaler Besucher zusammensetzt.
Zu Recht sind in den letzten Jahren aber auch Stimmen laut geworden, die dem Swiss Art Award vorwerfen, er habe an Profil verloren. Früher war der Wettbewerb ausschliesslich Kunstschaffenden bis 40 offen, diese Förderungsmassnahme also klar auf jüngere Kunstpositionen ausgerichtet, und die Ausstellung explizit ein Ort, wo man neue Posi­tionen entdecken konnte. Tatsächlich hat sich der Fokus verschoben, seit die Alterslimitierung 2012 im Rahmen der Einführung des Kulturförderungsgesetzes aufgehoben wurde. Die Eidgenössische Kunstkommission hat sich deshalb im Spätsommer zusammengesetzt, um über eine klarere Positionierung des Preises nachzudenken und Massnahmen zur Verbesserung der Ausstellungskonditionen zu entwickeln.
Du hast dieses Jahr zum ersten Mal die Ausstellung der Swiss Art Awards organisiert und durchgeführt. Was sind deine Beobachtungen zu dieser Ausgabe und welche Neuerungen hast du eingeführt?

Léa: Die Swiss Art Awards 2013 begannen mit der meistbesuchten Vernissage einer Ausstellung Schweizerischer Künstler des Jahres. Über 3000 Personen kamen zu Vernissage und Preisverleihung! Das belegt die Bedeutung und auch die Beliebtheit des Wettbewerbs für ein breites Publikum und für die Szene. Insgesamt kamen rekordhafte 8200 Besucher in 7 Tagen. Damit sind die Swiss Art Awards die populärste Gruppenausstellung Schweizer Kunstschaffender. Zudem kamen viele internationale Besucher. Die neue Halle am Messeplatz, in der wir untergebracht waren, bietet einen viel effektiveren und schöneren Rahmen für die Präsentation der Werke. Der Wettbewerb dient eben nicht nur dazu, die Arbeit der der Künstlerinnen und Künstler einem breiten Publikum zu präsentieren, sondern auch einem Fachpublikum aus Sammlern, Galeristen, Kuratoren. Die nominierten Schweizer Kunstschaffenden sollen Zugang zu Markt und Kunstwelt erhalten. Wir fördern das aktiv. Erstmals erhielten die Künstlerinnen und Künstler, die mit einem Eidgenössischen Kunstpreis ausgezeichnet wurden, Fachbesucher-Tickets für spezielle Anlässe der Art Basel sowie der LISTE. Diese Zusammenarbeit zwischen den Basler Kunstmessen und den Swiss Art Awards ist ein sehr erfreuliches Beispiel für eine produktive Zusammenarbeit zwischen Staat und Privatwirtschaft im Kulturbereich. Networking ist ein entscheidender Faktor zur Förderung der Kunstschaffenden. Deshalb haben wir zusammen mit der LISTE und der Collection Cahiers d'artistes von Pro Helvetia eine Eröffnungsparty organisiert. Kunstschaffende, Galeristinnen und Galeristen, Fachleute und versierte Kunstliebhaberinnen und -liebhaber haben gemeinsam die Lancierung unserer Veranstaltungen gefeiert. Wir bereiten uns gleichzeitig weiterhin auch auf die Vermittlung der Nominierten über das Internet und Social Media vor. Die wichtigste technische Neuerung war 2013 die Lancierung der Web-App swissartawards.ch, über welche die Websites der Teilnehmenden, Infos zu den Preisträgerinnen und Preisträgern sowie Öffnungszeiten etc. abrufbar sind. Das Experiment lief sehr gut. Die App wurde einen Tag vor der Vernissage ins Web gestellt und hat die Zahl der realen Besuche während der Ausstellung in etwa verdoppelt. Dies ist ein erster Schritt zur Ermöglichung digitaler Ausstellungsformate und zur entsprechenden Unterstützung der Kunstschaffenden. Nun bereiten wir uns auf ein Jubiläum vor. 2014 feiert der Wettbewerb 20 Jahre im Rahmen der Messe Basel. Die Jubiläumsausstellung beginnt am 16. Juni 2014. Heute legen wir den Schwerpunkt mehr denn je darauf, das optimale Umfeld für die Künstlerinnen und Künstler und ihr Publikum zu finden. Der Wettbewerb ist aus Basel nicht mehr wegzudenken, und wir erhalten laufend Anregungen durch die benachbarten Veranstaltungen. Dabei denke ich natürlich an die Messe, doch allgemeiner auch an die anderen internationalen Wettbewerbe.
Nadia, was können wir aus internationaler Sicht dazulernen? Du warst Mitglied der Jury für den ­Turner Prize. Lassen sich die beiden Wettbewerbe vergleichen oder wie unterscheiden sie sich?

Nadia: Der Turner Prize ist so ziemlich das Gegenteil des Swiss Art Awards. Exklusiv, höchst mediatisiert und im Vergleich zu seinem Renommee nicht sehr hoch dotiert. Eine jährlich wechselnde Jury nominiert vier Künstlerinnen und Künstler - laut Reglement - aufgrund einer herausragenden Ausstellung im Juryjahr. Deren Arbeiten werden vor der definitiven Preisvergabe meist in der Tate Britain ausgestellt. Es ist ein Preis, der viel zu reden gibt und in Grossbritannien bis in die Boulevardpresse omnipräsent ist. Traditionsgemäss nehmen die Medien den Turner Prize zum Anlass, sich im besten Falle humorvoll, oft jedoch verächtlich, über zeitgenössische Kunst auszulassen. Künstlerinnen und Künstler, welche die Nominierung annehmen, brauchen eine dicke Haut, um mit den Anfeindungen fertigzuwerden; gleichzeitig verspricht der Turner Prize hohe Sichtbarkeit und Prestige.
Vom Verfahren her ist der international wohl bekannteste Preis für Gegenwartskunst eine Mischung zwischen unserem Prix Meret Oppenheim (Nominationsverfahren) und dem Eidgenössischen Preis (Ausstellung), entspricht aber in keiner Weise den Grundsätzen, die bei unseren Bundespreisen zum Tragen kommen. Während bei uns der Fokus auf den Künstlerinnen und Künstlern und deren Werk liegt, ist beim Turner Prize das ganze Brimborium drumherum viel wichtiger. Nicht, dass ich ein Problem damit hätte, dass die Tagesschau einen Bericht über unsere Preisverleihung senden würde. Aber Mario Testino oder Madonna einfliegen (und honorieren) zu müssen, um die Gewinner anzukündigen, fände ich dem Anlass nicht entsprechend.
Ich bin zudem sehr kritisch, was eine jährlich neu zusammengesetzte Jury betrifft. Ich bin überzeugt, dass jeder Juror, der weiss, dass er ein einziges Mal die Möglichkeit hat, zu nominieren, versuchen wird, um jeden Preis seine Favoriten zu platzieren. Das ist menschlich, und es ist im Prinzip nichts dagegen einzuwenden, für die Positionen einzustehen, an die man glaubt. Will man einen Preis aber als nachhaltige Förderung etablieren, ist eine Kommission, die über mehrere Jahre einen vertieften Einblick in die Szene hat, eine Diskussionskultur und gemeinsame Kriterien entwickeln kann, viel sinnvoller als eine Ad-hoc-Konstellation. Ehrlich gesagt war ich sowohl über die Qualität wie auch die Dauer unserer Diskussionen im Zusammenhang mit Nominierung und Bestimmung des Gewinners des Turner Prize enttäuscht. Und dies hatte nichts mit meinen Co-­Juroren zu tun, sondern vielmehr damit, wie der Preis angelegt ist. Da sind mir die differenzierten und pointierten Debatten der Kunstkommission sehr viel lieber. Das BAK hat 2013 eine wichtige Schlüsselstelle neu besetzt. Was denkst du, wird sich infolge dieser Neubesetzung verändern?

Léa: Ich freue mich sehr auf die Zusammenarbeit mit Isabelle Chassot. Ich erwarte eine spannende Zeit voller Neuerungen. Sie übernimmt die Leitung des BAK zu einem Zeitpunkt, der für die Kulturpolitik entscheidend ist. Ihre Erfahrung mit den Kantonen ist ein Vorteil für die verschiedenen Beteiligten, und ihr politischer Werdegang lässt Möglichkeiten erkennen, dass die Kultur in der politischen Agenda ihren Platz einnehmen wird. Der Zeitplan ist natürlich knapp, da die Vorbereitung der Botschaft 2016-2019 bereits angelaufen ist, doch ich betrachte die Wahl von Isabelle Chassot als echte Chance für das Amt und seine Tätigkeit. Welche Wünsche hat denn die Eidgenössische Kunstkommission an das BAK?

Nadia: Wir erwarten vom BAK vor allem, dass es auf Bundesebene deutlich und nachdrücklich die Interessen der Kultur vertritt. Dies tönt nach einer Selbstverständlichkeit, allerdings wurde diese Erwartung von der bisherigen Direktion nicht erfüllt. Wir wollen auch, dass das BAK differenziert über Kulturförderung nachdenkt, sprich Instrumente schafft, die den Produktions- und Distributions­bedingungen der unterschiedlichen Kultursparten entsprechen.
Es ist eine Tatsache, dass für alle Aufgaben, welche der Bund in Sachen Kultur zum Teil neu zu verantworten hat, viel zu wenig Geld vorhanden ist. Hinter jeder Entscheidung, jeder Handlung des BAK muss deshalb die Überzeugung stehen, dass der Bund in Zukunft generell mehr Geld für Kultur ausgeben sollte. In der politischen Denkweise liegt es nah zu sagen, dass Prioritäten gesetzt werden müssen, dass man sich auf gewisse Aufgaben konzentrieren, andere jedoch aufgeben muss. Dabei geht es immer um Sparmassnahmen. In einer solchen Situation passiert es oft, dass diejenigen Akteure, welche sich lautstark zu Wort melden, gewerkschaftlich gut organisiert sind und/oder im Parlament eine stärkere Lobby besitzen, auch am besten davonkommen. Wir wünschen uns deshalb, dass das BAK sich nicht nach dem Gesetz des «lauter Schreienden» orientiert, sondern Entscheidungen nach sachlichen Kriterien trifft und dabei die Kulturförderung als zusammenhängendes Ganzes im Auge behält.

Infos

Type
Artikel
Partner Issue
Share