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Blind Faith – Blindes Vertrauen

München — Kiki-Smith ist derzeit nicht die einzige Künstlerin, die im Münchner Haus der Kunst anatomische Studien betreibt: Zum Auftakt der Ausstellung ‹Blind Faith – Blindes Vertrauen› hängen um einen Körper-Dummy alle Wände voller Organ-Moulagen. Mariechen Danz hat sie für ihre Installation ‹Womb Tomb› geformt, drapiert und beschriftet. Und die Haupthalle wird von einem Gebilde besetzt, das Nikolas Hlobo erschuf und das an einen kopflosen Wal oder einen Riesen-Kolon erinnert.

Das Skalpell ist Lieblingswerkzeug vieler Beteiligter: Nebenan schneidet sich in Ed Atkins‘ Mehrkanal-Installation ‹Safe Conduct› ein Avatar beim auf die Spitze getriebenen Sicherheits-Check zur Musik des ‹Bolero› nicht nur das Ohr, sondern auch Nase und Hände ab. Und in der filmischen Danse macabre von Marie Reid Kelley unterhalten sich in der Leiche einer Selbstmörderin Herz, Hirn, Hand und Fuß – auf Shakespeare-Englisch: Sie zitieren dessen berühmteste Suizid-Opfer, Julia und Ophelia.

Schon das Haus der Kunst an sich wirkt ein bisschen wie ein Geisterschiff: Die langjährigen Missstände, in deren Folge Personalverwalter und kaufmännischer Leiter entlassen wurden, gingen nicht spurlos vorüber. So sind auch Julienne Lorz und Daniel Milnes aus dem Kuratoren-Team von ‹Blind Faith› inzwischen weitergezogen nach Berlin. Für ihr letztes Projekt hier lassen sie es nochmal krachen: Mit einer Show von geringem Erkenntnis-, aber hohem Unterhaltungswert, in der einiges effektvoll von hinten durch die Brust ins Auge geht.

All dies steht unter dem Motto „«eitgenössische Kunst zwischen Intuition und Reflexion». Das Kreatürliche dient als Element der Rückbesinnung auf die harten Fakten. Dass es auch um «Vertrauen» in Informationsquellen und Umgang mit alternativen Wahrheiten gehen soll, zeigt am ehesten „God’s Reptilian Finger“, Naufus Ramirez-Figueroas skulpturale Auseinandersetzung mit der krausen Evolutions-Story der Mormonen und Verschwörungstheorien im Netz: In einer Dunkelkammer schwebt bei Schwarzlicht zwischen Gesteinsbrocken (aus Styropor) ein monumentaler Zeigefinger.

Ästhetisch und inhaltlich überzeugen die Tapisserien von Otobong Nkanga, die den Raubbau in Afrika visualisieren, ebenso wie Wangechi Mutus dunkelgründige Collagen. Und einer der besten, weil völlig nüchternen Beiträge ist der Film ‹Reason’s Oxymorons›, in dem Kader Attia Psychiater, Ethnografen und Historiker aus aller Welt das lokal recht unterschiedliche Verständnis von psychischer Krankheit und deren Heilung analysieren lässt.

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Haus der Kunst München
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