Richard Hamilton, Reaper (o), 1949, Radierung, Aussprengtechnik und Aquatinta (Druck von 3 Platten) Kunstmuseum Winterthur, Ankauf mit Mitteln aus dem Fonds für gemeinnützige Zwecke des Kantons Zürich, 2002 © Richard Hamilton. All Rights Reserved / 2017, ProLitteris, Zurich © Foto: Schweizerisches Institut für Kunstwissenschaft, Zürich, Jean- Pierre Kuhn
Zürich — «Die Geschichte ist ein magischer Spiegel» schrieb der Schweizer Architekturhistoriker Sigfried Giedion (1888-1968) am Anfang seines Buches «Mechanization takes command». Der Satz legt sich geradezu metaphorisch über die aktuelle Ausstellung in der Grafischen Sammlung der ETH Zürich, die sich mit ebendiesem Buch befasst. In Kollaboration mit dem Institut für Geschichte und Theorie der ETH entstand eine Ausstellung, die nicht nur die Sammlungsbestände beider Institutionen zusammenbringt, sondern auch den Theoretiker Giedion mit dem Amerikanischen Künstler Richard Hamilton (1922-2011). 1949 liess sich dieser von Giedions Buch zu einer Serie von Grafiken mit dem Titel «Reaper» (Getreidemäher) inspirieren. Die in modernistischem Duktus schlicht gehaltenen Maschinenbilder hängen an einer leicht angewinkelten, raumbreiten Stellwand, die unterhalb der Bilder in eine gleichlange Vitrine übergeht. In dieser sind zahlreiche Bild- und Textdokumente ausgestellt, die aus Giedions Bildarchiv stammen. Es handelt sich also um die Gegenüberstellung von Materialien, deren gegenseitiger Einfluss in Frage steht. Ein Solcher zeichnet sich zunächst vor allem ästhetisch ab: Hamiltons Getreidemäher, auf klare Konturen und wenige Linien abstrahiert, weisen durchaus Ähnlichkeiten mit den technischen Maschinenskizzen und Illustrationen auf, mit denen Giedion gearbeitet hat. Allerdings stellt sich angesichts der bleibenden Vagheit auch die Frage, inwiefern das Material nicht nur als Dokument für das Verhältnis von Giedion und Hamilton gelesen werden kann, sondern als Zeugnis für einen grundlegenderen Einfluss: dem des Modernismus auf die Möglichkeit einer solchen Begegnung überhaupt. Anhand des Vitrinen-Materials und einer Art Klein-Bibliothek zum Thema, die auf einem Tisch im Raum für jede Person frei einsehbar ist, kann solchen Fragen weiter nachgegangen werden. Es handelt sich insofern um eine didaktische Ausstellung: Sie will nicht einfach zeigen, sondern zum Verstehen anleiten. Sie interessiert sich weniger dafür, die Geschichte auf ein paar wenige Dokumente zu reduzieren, sondern sie bemüht sich darum, die Bilder als Teil eines komplexen historischen Prozesses nachzuvollziehen.
