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Pandemie und wie weiter? — Damien Deroubaix

Fortsetzung der Interview-Serie, die in der Juni-Ausgabe des Kunstbulletin begann und auf Distanz Nähe versuchte zum künstlerischen Prozess, zu persönlichen und professionellen Aussichten auf auf eine mögliche Zukunft. Gemeinsamer Nenner der Stellungnahmen war die Anerkennung eines grundlegenden Wandels im Kunstbetrieb – der auch fällig wäre. Während nach Lockerung der Ausgangsbeschränkungen, allfälligen Urlaubsreisen und der Rückkehr aus der Sommerfrische die Infektionszahlen wieder steigen, zeigen sich die Konsequenzen gewünschter Verdrängung: die Realität bricht ein. Um sie zu gestalten, sind andere Aussichten nötig, die nicht auf ein Danach hoffen, sondern mit dem Gegenwärtigen kreativ und engagiert umgehen. Da sie solche bietet, wird die Serie in loser Folge weiter hier veröffentlicht, um zum Nachdenken anzuregen darüber, was wird, mit der Kunst. 

Apokalypse, now?
Sennewald: Deine Gemälde bringt seit Jahren Bilder des Verfalls vor Augen, Du konfrontierst uns gleichnishaft mit von durch Menschen erzeugten Katastrophen. Jetzt enden in Frankreich gerade die Ausgangssperren, zweifellos noch nicht die Pandemie – was löst das bei Dir aus? Siehst Du als Maler eine Verlängerung der Krise(n) oder vielleicht das Aufkommen einer möglichen Wende? Welche Bilder assoziierst mit dem Kommenden?
Deroubaix: Auf den Lockdown gibt es eine persönliche und eine berufliche Reaktion. Wir haben Paris erleben können, wie zuletzt vielleicht im 19. Jahrhundert: ein Licht, ein blauer Himmel, eine Luft wie nie zuvor. Gleichzeitig sehen jetzt sehr viele KünstlerInnen existenzieller Bedrohung entgegen, das wird sich noch verschärfen. Ich hatte relativ Glück: Ausstellungen wurden eher verschoben. Die im Musée de la Chasse et de la Nature zum Beispiel. Dort habe ich mich vom Thema der Melancholie aus mit dem ökologischen Zustand der Welt beschäftigt. Ich sitze hier mit meiner kleine Tochter vor dem Bildschirm – und frage mich natürlich, was es für sie bedeutet, in diese Welt geboren zu sein, die scheinbar in die Katastrophe steuert. Gleichzeitig haben jetzt viele Menschen gesehen, dass ein anderes gesünderes, entspannteres Leben möglich ist. All diese Fragen und Eindrücke werden sicher auf meine kommende Arbeit Einfluss nehmen. Ich muss aber betonen, dass ich mit Ad-hoc-Reaktionen nicht viel anfangen kann. Da gerät man schnell in Stimmungsmache. Die meisten Arbeiten zum Thema Ökologie und Zukunft die ich für Paris erstellt habe, wie ein 14X4 Meter großer Holzschnitt, waren bereits fertig. Wenn ich politische oder gesellschaftliche Themen aufgreife, verwende ich historisch entfernte Bilder. Nicht wie jene Kollegin, die während des Abu-Ghuraib-Folterskandals die Medienbilder von den gedemütigten Gefangenen einsetzte. Das war für mich pure Propaganda, das geht nicht. Es ist ja auch so, dass es immer neue Ereignisse gibt, immer neue Krisen. Wer weiß? Vielleicht lachen wir in ein paar Monaten über die Situation heute. Um zur Gegenwart als Maler Stellung zu beziehen, greife ich auf vergangene Bilder zurück. Sie sind nicht mehr brennend aktuell, haben sich gesetzt. Es braucht Zeit und Abstand, für die Kunst. Nur dann lässt sich der allegorische Charakter daraus gewinnen, mit dem eine Malerei möglich wird, die das Aktuelle erkenn- und handhabbar macht. 
Paris, 26. Mai 2020
http://damienderoubaix.com

Damien Deroubaix erhielt den diesjährigen Grand Prix artistique der Simone und Cino Del Duca-Stiftung. 2019 zeigte das Kunstmuseum Reutlingen mit „Headbangers Ball part 3: Alte Meister (Komödie)“ eine große Einzelausstellung im Spendhaus. Die im Interview angesprochene Ausstellung « La valise dOrphée (et Eurydice) »im Musée de la Chasse et de la Nature Paris ist verschoben auf Anfang 2021.
 

J. Emil Sennewald, Kritiker und Journalist, unterrichtet an der Kunsthochschule ésacm in Clermont-Ferrand und der F+F Schule in Zürich, berichtet seit über 15 Jahren über Kunst aus Frankreich. emil@weiswald.comwww.weiswald.com

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