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Werkschau Kanton Zürich 2022 — Samrat Banerjee

Klärwerk, Recyclinghof, Familiengärten. Die Umgebung, in der Samrat Banerjee arbeitet, entspricht seiner künstlerischen Forschung zum Anthropozän, dem Zeitalter, in dem der Mensch zur dominanten biologischen, geologischen und klimatologischen Gewalt geworden ist.
Samrat empfängt mich im Atelier, das sich in einem Dachstock befindet: Ein hoher Raum, helle Lichtverhältnisse, drei Plätze. Er sei aber nur temporär da, denn seine Suche nach einem passenden Atelier gestalte sich schwierig. In der Ateliergemeinschaft von Stefanie Knobel, seiner Kollaborateurin und Partnerin, mit der er ein gemeinsames Kind hat, wurde jedoch ein Platz frei. Es ist langfristig aber zu teuer, zudem möchte das Paar Beruf und Privatleben getrennt halten.
In ihren früheren kollaborativen Arbeiten gab es je nach Phase mal eine klare Arbeitsteilung, mal machten sie alles zusammen. Für die Werkschau stellt er eine Solo-Arbeit aus. Eine Assemblage, in der eine kolorierte Radierung von 1790 im Zentrum steht, welche die Expedition von Horace Bénédict de Saussure, dem Genfer Naturforscher und «Vater der modernen Alpenforschung», auf den Gipfel des Mont Blanc zeigt. 
In der Darstellung fehlen die Schneebrillen, die gegen Schneeblindheit schützen, womit die Abhängigkeit der Heroen der Aufklärung von der Technik verschleiert wird. Signifikante Abwesenheitender wie diese verweisen auf den ideologischen Kontext.  
Medien und Materialien werden durch den Prozess der künstlerischen Recherche vorgegeben, wobei Video ein Fokus der meisten Arbeiten von Samrat Banerjee darstellt. Da er keine spezifische Technik verwendet, wird er – im Gegensatz zu Künstler:innen, die nur eine Technik nützen – ständig mit technischen Problemen konfrontiert, die er lösen muss. Doch gerade dies macht ihm auch Spass, und er geniesst die Flexibilität und die Freiheit.
Am Anfang stand jedoch die Malerei. In Kalkutta, dem Zentrum der künstlerischen Avantgarde in Indien, erhielt er als Kind privaten Malunterricht. Seine Tante wollte, dass er wie seine Ur-Grossmutter, die an der Kunsthochschule lehrte, Maler werde. Nach einem Wirtschaftsstudium, das er ohne grosse Leidenschaft absolviert hatte, bewarb er sich an Kunsthochschulen, die in Indien traditionalistisch auf formale Kenntnisse aus sind.
Doch er erhielt keine Zulassung, woraufhin er sich dem Lesen und Schreiben widmete. Er befasste sich intensiv mit der Frage, wie künstlerische Forschung aussehen könnte und sollte. Dann bewarb er sich an anderen Orten und kam schliesslich in die Schweiz an die Zürcher Hochschule der Künste. Er ist begeistert von der Freiheit, die ihm gegeben wird, um jene Kunst zu machen, die ihn interessiert. Als er in der Schweiz ankam, war jedoch alles neu für ihn. Für den Lebensunterhalt und die Studiengebühren muss er arbeiten – eine Herausforderung angesichts seiner mangelnden Deutschkenntnisse. Auch wenn er keine langfristigen Pläne anstellt, hofft er, dass er mit seiner Familie länger in der Schweiz bleiben wird. Es ist in der Tat zu hoffen, dass Samrat Banerjee mit seiner Kunst nicht nur temporär hier ist, denn die Themen, die er künstlerisch erforscht, sind von grosser Dringlichkeit. 

Michel Rebosura studierte Philosophie und Religionswissenschaft. Er ist als freier Autor, Kunstkritiker und Kulturjournalist tätig und arbeitet zudem in der Kommunikation des Theaters Neumarkt in Zürich.

Artistes

Details Name Portrait
Samrat Banerjee

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