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Werkschau Kanton Zürich 2022 — Ursula Palla

Arbeiten vergangener Ausstellungen stehen verpackt am Boden und werden bald weggeräumt. Winzige Spuren wie ein absichtlich vergessenes, feines Wurzelstück, das unter dem Kabelkanal neben der Eingangstür an einer Angelschnur hängt, dürfen noch eine Weile lang bleiben. Entlang der östlichen Fassade schützen die Rollläden Reststücke getrockneter Disteln, verschiedene Schachteln, Zeichnungen und Objekte vor dem Licht. An einer Pinnwand reihen sich Fotos, Skizzen und Texte. Auf den grossen Arbeitsplatten vor dem Fensterband im Süden liegen eine weisse Leinwand und ein Roller.

Manchmal, so sagt Ursula Palla, sei ihr Atelier ganz leergeräumt, wenn sie beispielsweise eine Installation teste. Es gibt hier viel Raum, etwa 65 Quadratmeter. Den Eindruck der volatilen Körperlichkeit, wie sie in ihren Arbeiten präsent ist, finde ich während unseres Gesprächs auch in ihrem Atelier. 

Ihre Werke passen gut zu diesem lichtdurchfluteten Raum mit seinen massiven Betonstützen, die dennoch Leichtigkeit vermitteln. Vier schwere, kantige Pfeiler fächern sich unter der Decke erst in einem steilen und dann in einem flachen Winkel auf und fangen so das Gewicht der Decke ab. Dort oben sind Haken eingelassen: Einige ihrer Installationen testet Ursula Palla hängend.

Die Arbeit für die Werkschau trägt den Titel Displaced Herbarium. Die zweiteilige Installation konfrontiert Lost Colors mit einer weiteren neuen Arbeit, Botanical Fragments. Schon in den Titeln tauchen Fragen auf: nach Ort, Ursprung, Zusammenhängen. Wenn Ursula Palla ihre Arbeiten beschreibt, benutzt sie präzise Namen, nicht nur für die Techniken, mit denen sie ihre Objekte und Installationen herstellt, sondern auch für die Dinge, die sie dafür verwendet. Wie zum Beispiel die Pflanzen: Wilde Karde, Wegdistel, Goldrute, schmalblättrige Weidenröschen. 

Botanik habe sie schon seit der Kindheit interessiert, erzählt die Künstlerin. Gräser und Kräuter, die in der Natur mehrere Meter hoch wachsen, reichen auch im Atelier bis zur Decke. Die Objekte hier sind allerdings in verschiedenen Metallverbindungen gegossen, in Aluminium oder Messing, und letztes Jahr hat sie eines in Bronze aus eingeschmolzenen Waffen gefertigt – für ein Kunst-am-Bau-Projekt im Polizei- und Justizzentrum Zürich. Die Stäbe sind teils millimeterdünn. Meistens schafft es die Giesserei, mit der Ursula Palla zusammenarbeitet, das flüssige Metall bis in die äussersten Spitzen zu pressen. Experiment und Risiko spielen mit. Risiko ist ein Wort, das in unserem Gespräch immer wieder fällt. Das Risiko bei der Herstellung der Objekte hält den Prozess in einer Schwebe, die den prekären Zustand der Welt in den Raum der Kunst einbringt. Mit teilweise aufwendigen technischen Mitteln thematisieren Ursula Pallas Werke dieses fragile Gleichgewicht der Welt. Sie arbeitet schon lange an den unscharfen Grenzen zwischen Natur und Künstlichkeit und deren Überlagerung, die nun oft mit dem Begriff Anthropozän zusammengefasst wird.

Ihr Atelier hat sie vor zwölf Jahren bezogen. Es liegt in einem Eckraum des ehemaligen Lagerhauses des Spielwarengeschäfts Franz Carl Weber in Zürich-Altstetten. Seit zwanzig Jahren gehört das Haus der Genossenschaft Gleis 70. Hier arbeiten über 100 Künstler:innen, Designer:innen und Handwerker:innen, und auch die Filmemacher:innen, mit denen Ursula Palla schon mehrere Projekte realisiert hat, sind hier. Der Austausch ist ihr wichtig. Ihre Arbeit berührt verschiedenste Disziplinen und bindet oft mehrere Medien ein. Auch da spielt das Risiko mit. 

Sabine von Fischer hat in Zürich, Edinburgh, New York und Berlin räumliche und akustische Konstellationen studiert und beschreibt diese gerne in kurzen oder langen Texten.

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