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Im Februar 2015 zerschlugen Mitglieder des ISIS prä-islamische Skulpturen im Museum der irakischen Stadt Mosul. Die von den Terroristen gefilmten Bilder gingen um die Welt. Die Zerstörung kultureller Artefakte in Konflikten hat eine lange Tradition, die Tabula Rasa, das Umschreiben von Geschichte. Doch im Internetzeitalter kommen neue Dimensionen dazu. Gruppen wie ISIS filmen und ­verbreiten ihre Verbrechen gegen Menschen und Kultur über das Netz als perverse virale Videos. So scheint weniger wichtig zu sein, dass etwas nicht mehr da ist, als dass der Akt der Zerstörung symbolischen Wert in der Aufmerksamkeitsökonomie erzeugt. Jedoch ist im Zeitalter der digitalen Massenverbreitung von Bildern eine Auslöschung ohnehin ungleich schwieriger als zuvor. Bilder der Zerstörung zirkulieren, aber auch des ursprünglichen Artefakts, das nun auf traurige Weise mehr Aufmerksamkeit als zuvor bekommt. Der Aura des Originals wird durch die Unsterblichkeit der distribuierten Kopie ersetzt, wie Paul Soulellis schreibt. In ihrem Projekt ‹Material Speculation: ISIS› schöpft die iranisch-amerikanische Künstlerin Morehshin Allahyari aus dieser Kraft der Kopie. Sie systematisiert die digitalen und gedruckten unsterblichen Überreste der Skulpturen von Mosul als virtuelle Rekonstruktionen, die mit dem 3D-Drucker rematerialisiert werden. Die resultierenden Skulpturen sind verkleinert, aus transparentem Kunststoff und enthalten Datenträger mit den zugrundeliegenden Dateien, dem Material aus der Recherche und dem Rekonstruktionsprozess, den die Künstlerin mit Archäologinnen und Historikern u.a. vom Mosul Museum durchgeführt hat. In den 3D-Drucken sind diese Daten versiegelt im Sinne einer Zeitkapsel. Allahyari arbeitet aber auch an der Verbreitung der Dateien über das Netz. Bereits ist das Material zu einer Skulptur zugänglich, weitere folgen. Damit können alle mit Zugang zu einem 3D-Drucker Reproduktionen der Skulptur herstellen. Die 3D-Drucker benötigen Kunststoffe, die aus Erdöl hergestellt werden, dem Rohstoff, der die Konflikte im Nahen Osten befeuert. Fragen, die sich aus solchen Verstrickungen stellen, diskutiert Allahyari u.a. in ihrem ‹3D Additivist Manifesto› (mit Daniel Rourke, 2015), das für einen widerständigen Gebrauch der 3D-Drucktechnologie plädiert.

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