Alles wahre Fakes?

Zentrale Lügenanlaufstelle, Ausstellungs­ansicht Stapferhaus Lenzburg, 2019. Foto: Anita Affentranger

Zentrale Lügenanlaufstelle, Ausstellungs­ansicht Stapferhaus Lenzburg, 2019. Foto: Anita Affentranger

Fachabteilung für Lügenerziehung, Ausstellungsansicht Stapferhaus Lenzburg, 2019. Foto: Anita Affentranger

Fachabteilung für Lügenerziehung, Ausstellungsansicht Stapferhaus Lenzburg, 2019. Foto: Anita Affentranger

Hinweis

Alles wahre Fakes?

Lenzburg — So viel ist wahr: Das Stapferhaus konnte seine provisorische Bleibe im Zeughaus verlassen und an der Bahnhofstrasse 49 ein eigenes Haus beziehen. Das Gebäude aus dunklem Holz mit seiner leicht patinierten Stahlwendeltreppe mag auf den ersten Blick etwas düster erscheinen, seine variable Einteilung und die Absenz jeglicher optischer Ablenkung aber konzentriert unsere Aufmerksamkeit auf den Inhalt. Die erste Ausstellung im neuen Haus ist eine Forschungsreise und erkundet unter dem Titel ‹Fake. Die ganze Wahrheit› den Umgang mit (Nicht-)Fakten. Man betritt über ­einen signalgelben Teppich das dem «Amt für die ganze Wahrheit» zur Verfügung gestellte Haus. Schon die Kasse ist ein leicht unbequemer Beamtenschalter mit Sprechschlitz, zu dem hinunterbeugen sich muss, wer Einlass begehrt. Wohlverstanden, es ist ein Amt «für» die ganze Wahrheit, nicht «der ganzen» Wahrheit. Wie schon in früheren Ausstellungen ist unser Engagement gefragt. Es gibt nicht einfach ein Billett, sondern einen an verschiedenen Stationen abzustempelnden Besucherschein. Mitarbeitende der neun Abteilungen des Amtes stehen für Auskünfte zur Verfügung. Doch Vorsicht: Nicht jede Tür ist eine Tür, und nicht alle Hinweise in den signalgelben Gängen entsprechen der ganzen Wahrheit oder haben eine Logik. Was ist das überhaupt, «die ganze Wahrheit»? Gibt es mehr als eine Wahrheit (Lügen können durchaus im Plural auftreten)? Warum mögen wir Lügen bei anderen nicht, nehmen aber je nach ­Situation gerne selbst Zuflucht zu ihnen? Schon in der Schulstube stellt sich diese Frage, was mit einem grossen Spielteppich samt Würfel untersucht werden kann. Im Haus findet sich auch die These, dass die Lügen von heute die Wahrheit(en) von morgen sind. In der ‹Lügenanlaufstelle› können angelieferte Geschichten auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft werden. Man irrt zünftig umher, findet aber vor dem Feierabend des Amtes wieder hinaus, um sich in der chromblitzenden Cafeteria zu stärken. Das Material reicht für einen Aufenthalt von fünf Stunden, wer alles sehen und erkunden will, sollte einen ganzen Tag einplanen. Bei aller Verspieltheit der Exponate ist der ernste Hintergrund des Themas präsent, denn die grösste Konsequenz einer Lüge ist das gebrochene Vertrauen – wer einmal lügt, dem glaubt man nimmermehr. Warum fallen wir trotzdem immer wieder darauf herein?

Until 
24.11.2019
Exhibitions/Newsticker Data Tipo Località Paese
Fake da 30.10.2018 a 28.06.2020 Ausstellung Lenzburg
Schweiz
CH
Author(s)
Thomas Schlup

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