Menagerien und sichtbare Literatur

Xenia Hausner · Liebestod, 1996, Acryl auf Hartfaser, 275,5 x 326,5 cm, Sammlung Würth

Xenia Hausner · Liebestod, 1996, Acryl auf Hartfaser, 275,5 x 326,5 cm, Sammlung Würth

Robert Longo · Untitled (Tiger Head No. 7), 2012, Kohle auf montiertem Papier, 232 x 176 cm, Sammlung Würth

Robert Longo · Untitled (Tiger Head No. 7), 2012, Kohle auf montiertem Papier, 232 x 176 cm, Sammlung Würth

Hinweis

Menagerien und sichtbare Literatur

Rorschach — Man schreitet über rote Teppiche und muss sich zwischen einem Schaf und einer Ziege entscheiden, denn diese beiden Skulpturen von Heinrich Brummack (1936–2008) säumen die Türen zum Glaskubus des Würth Hauses. Im Innern finden bis im Frühling 2019 drei Ausstellungen statt, die den Bogen vom Wesen der Tiere bis zum Sichtbarmachen von Literatur spannen.
Da gibt es die Skulptur des ‹Horseman› von Karl Appel (1921–2006) aus der ‹Circus Series› ebenso wie die zarte Kohlezeichnung einer ‹Landschaft mit zwei Schafen› von Giovanni Segantini (1858−1899), kaum A5-gross und in zwei Rahmen eingezwängt; einige wenige Striche evozieren zusammen mit der Papierstruktur eine karge Hochalp. Heinrich Zügel (1850–1941) hingegen – die Werke hängen über Eck beieinander – lässt seine Schafe in einem reichen Ölgemälde ‹Rast an der Salzlecke› machen. Antropomorph grüssen uns Barry Flanagans (1941–2009) Hasenskulpturen im ganzen Gebäude. Unübersehbar prangt Robert Longos (*1953) ‹Untitled (Tiger Head No 7)› an der Wand, eine beeindruckende Arbeit in Kohle. Auch einen Tiger, wenngleich in ganz anderer Form, gibt es einen Stock höher auf dem ‹Sennenstreifen›, 1910, von Gottlieb Feurer (1875–1912): ein geschecktes Ross, das im Zug der Kühe und Sennen die Ausrüstung trägt. ‹Bi öös deheem› heisst folgerichtig die zweite Ausstellung im Haus, sie widmet sich der Bauernmalerei im Appenzell und Toggenburg. Thematisch gar nicht so weit entfernt, denn auch hier steht das Tier, und sein Bezug zur Heimat, im Mittelpunkt. Die dritte Ausstellung behauptet, dass man ‹Literatur sehen kann›. Als Kinder liessen wir die Worte noch singen und die Sprache tanzen, dann kam der Ernst des Lebens mit seinem Hüslipapier, und aus die Maus für die Kreativität. So ist es faszinierend, in das bildnerische Werk der drei Literaten Hans Magnus Enzensberger, Günter Grass und Hermann Hesse Einblick zu nehmen. Hesse malte viel, bezeichnete sich aber als «Dilettanten» und sprach doch immer davon, dass er ohne das Malen als Dichter «nicht so weit gekommen wäre». Im gut sortierten Shop locken viele kleine und grosse Sachen zum Kauf – von der aufziehbaren Blechentenfamilie bis zu feinstem englischem Teegeschirr. Allein die Bücher füllen ein grosses Gestell. Von der Terrasse der Cafeteria im oberen Stock schweift der Blick über das «Schwäbische Meer» hinaus zum leicht verschwommenen Horizont.

→ Forum Würth, bis 3.2. bzw. 28.4.2019

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