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Was bedeuten uns unsere Freundinnen und Freunde? Psychologen und Ärztinnen sagen, dass sie dem Glücksgefühl und sogar der Gesundheit zuträglich sind. Soziolog/innen sagen, dass unser gesellschaftliches Ansehen mit ihrer Anzahl steigt. Facebook sagt, dass wir dieses wertvolle Gut sammeln können wie Kafirahmdeckeli oder Paninibildli. Und genau das tun die braven Facebook-User in erstaunlich naiver Euphorie. 2013 zählte Facebook 618 Millionen täglich aktive User, von denen jeder durchschnittlich etwas über 300 Freunde hat. ‹Friendfracker› schafft nun dort Abhilfe, wo das dann doch alles ein wenig zu viel wird. Die Software löscht bis zu zehn zufällig ausgewählte Facebook-Freunde unwiderruflich aus dem Profil, ohne einem selbst oder den Freunden mitzuteilen, um wen es sich handelt. Manch einer wird wohl auch gar nicht feststellen können, wer von den 300 Freund/innen nun fehlt, da er mit 250 davon wahrscheinlich seit Jahren nichts mehr zu tun hatte. Sie hatten aber doch zur eindrücklichen Ziffer oben im Profil beigetragen. Sie fehlen nun also, diese Freundinnen und Freunde, und man bemerkt es gar nicht. Das zeigt uns zunächst, welchen Wandel die Bedeutung des Wortes «Freund» in unseren Social-Media-Zeiten erfahren hat. Der mexikanische Medienkünstler Rafael Lozano-Hemmer und der Programmierer Harper Reed lernten sich im April 2013 über ‹Seven on Seven› kennen, eine von Rhizome 〈rhizome.org〉 veranstaltete Konferenz, die Kunstschaffende mit Programmierer/innen zusammenbringt und ihnen die Möglichkeit gibt, innerhalb eines Tages «etwas Neues» zu erschaffen. Das Werk überdauerte wenige Wochen, bevor es von Facebook deaktiviert wurde. Kein Wunder, denn in einem Kommentar zu einem Bericht über ‹Friendfracker› wurde von einem Blogger die subversive Frage gestellt: «Is there a service to completely remove FB?» Heute existiert ‹ Friendfracker› als Netz-Legende, ähnlich wie das Orakel von Delphi nur in Erzählungen und Beschreibungen überliefert ist.