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Die Kunst scheint sich gegenwärtig in zwei Milieus, gar in zwei Märkte zu trennen. «The Jacuzzis and J'accuse-is», wie mein werter Freund und Kollege Joerg Heiser zu sagen pflegt. Einerseits in eine Kulturindustrie, die wohl oder übel breite Bevölkerungsschichten zur Kunst führt, und von Optimismus und Globalisierungsappetit geprägt ist. Hierzu zählen auch viele Kunstinstitutionen und -ereignisse, die einst, eine Zeit lang, als bahn- brechende, entscheidende Schauplätze für innovative, gar avantgardis-tische Ansätze in der Kunst eine Plattform boten. Zunehmend wird diese kunstspezifische Kulturindustrie politisch instrumentalisiert; für urban marketing, aber auch als massenpädagogische Massnahmen, um eine sozial- liberale Leitkultur unter die Bevölkerung zu bringen («Kunst gegen rechts» etc.). Ein zweites Feld ist das von kleineren Institutionen und Low- bzw. No-Budget-Initiativen, die, wenn ich etwas grob generalisieren darf, von einer gesunden Dosis Paranoia hinsichtlich politischer Vereinnahmung geprägt ist, wie auch von einem Kampfgeist, der sich eher selbstironisch als angriffslustig gibt. (Es muss aber gesagt sein, dass das eben genannte Lager viel heterogener ausfällt als das erste.) Um einen knappen Vergleich zu ziehen: In Fragen von Habitus, Diskurs und politischem Temperament haben die «Jaccuzzis» mehr mit Vanity Fair Magazine oder Radio 24 gemeinsam als mit ihren brancheninternen Gegenspielern. Was mich je- doch persönlich erstaunt, ist eine gewisse Gemeinsamkeit. Und zwar der Mangel an Experimentierfreudigkeit in beiden Lagern, was die grundsätzlichen Formate, Rituale, Traditionen und Genres der Kunst betrifft. Die «Jaccuzzis» hätten das Geld und die Macht, die «J'accuse-is» die Freiheit und sogar die Ideen, vielerlei Erwartungen zu untergraben und Altüberliefertes in Frage zu stellen. Beide halten sich jedoch weitgehend, wenn auch zum Glück nicht immer, an die Regeln. «Gruppenausstellung zeitgenössischer Künstler» - das ist mittlerweile ein bisschen wie «United Kingdom of Great Britain». Das Land war nie «united», zur Zeit ist es kein «kingdom» und schon gar nicht «great». Doch sagen wir alle weiterhin United Kingdom etc., da wir in etwa wissen, was mit den Begrifflichkeiten gemeint ist, so willkürlich und putzig sie auch sein mögen; und von so einem muffigen Land erwartet man eh keine Erneuerung.

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