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Die akademische Kunstgeschichte wird in der breiteren Öffentlichkeit im Allgemeinen als schöngeistiger Zeitvertreib wahrgenommen, von dem keine relevanten Antworten auf brennende Fragen und Probleme unserer Zeit zu erwarten sind. Dabei hat sie seit ihrer Etablierung als akademische Disziplin vor gut hundert Jahren ein Methodenrepertoire entwickelt, das sich durchaus dazu anbietet, die visuelle Kultur unserer Gegenwart kritisch zu reflektieren und mit historischem Hintergrundwissen fundiert zu kommentieren. Vieles von dem, was in den vergangenen Jahren angesichts der medialen Bilderflut als «iconic turn» umschrieben worden ist - also als der (angebliche) Übergang von einer in erster Linie sprachzentrierten zu einer vermehrt auf Bilder abgestützten Gesellschaft und Wissenskultur -, rückt durch eine geschichtliche Situierung in ein helleres Licht und wird in seiner historischen Dimension erst richtig verständlich. Eine so verstandene Kunstgeschichte beschränkt sich nicht auf die künstlerischen Glanzlichter und Ausnahmeerscheinungen aus vergangenen Epochen, sondern betrachtet gerade die zeitgenössische visuelle Kultur mit all ihren Ausprägungen zwischen Populärkultur und Hochkunst als ihren Forschungsgegenstand.
Die Architektur und die Raumkünste haben seit jeher zum engeren Bestand der Kunstgeschichte gehört; ein Status, den sie jedoch durch verschiedene Entwicklungen auf hochschulpolitischer Ebene mehr und mehr einzubüssen drohen. Meine Arbeit rückt dagegen bewusst die Verwandtschaft der Architektur mit ihren Schwesterkünsten sowie die visuelle Dimension der Baukunst in den Vordergrund und versucht somit, einen Kontrapunkt zu diesem Trend zu setzen. Architektur ist nicht einfach mit der gebauten Umwelt gleichzusetzen, sondern sie ist eine Disziplin, die sich in vielen verschiedenen Medien und Diskursen manifestiert. Die Bildmedien gehören in hervorragendem Masse dazu. Auch wenn Architektur und Raum vielfach als selbstverständlich hingenommen werden und ihre prägende Funktion in Bezug auf unsere Wahrnehmung der Umwelt oftmals verkannt wird, bilden sie einen zentralen Aspekt unserer visuellen Kultur. Das gilt für die Schweiz in besonderem Masse, wo die moderne Architektur seit jeher stark verwurzelt ist. Die Architektur unter ästhetischen und auf die Wahrnehmung bezogenen Fragen zu betrachten, heisst mitnichten, soziale, funktionale oder gesellschaftspolitische Fragen auszublenden, denen für das Verständnis der Architektur eine ebenso wichtige Rolle zukommt. Aber es heisst, die Architektur als gestaltende Disziplin ernst zu nehmen und auf ihre Bedeutung für unsere Wahrnehmung der Umwelt hin zu befragen. Mein Anspruch besteht dabei darin, den akademischen Diskurs aufzugreifen und in die breitere öffentliche Diskussion einzubringen, um nicht zuletzt den Beitrag von Architektur und Raumkunst für die Bildkultur sowie deren Chancen und Gefahren zu reflektieren.

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