«Das kommende Europa» im Centre Culturel Suisse
Am Eingang der Ausstellung wird «Gated communities» gezeigt, eine Foto-Serie von Laurence Bonvin. Und tatsächlich mag mancher die Schweiz als eine solche umzäunte Gemeinschaft in einer zunehmend zusammenwachsenden Stadt Europa sehen. Umso besser, dass man sich gerade im CCSP die Frage nach Europa stellt.
«Das kommende Europa» im Centre Culturel Suisse
Wichtig ist, wie man das tut. Europa heute, das ist vor allem Anlass zur Diskussion und zu einer fortgesetzten Suche nach dem, was man eigentlich meint, wenn man von «Europa» spricht. Eine Wirtschaftsunion? Ein Kontinent? Eine Kultur? In allen drei Fällen hat man es mit äusserst vagen, an den Grenzen unscharfen Gebilden zu tun, die sich einer genauen Identifizierung ebenso entziehen wie einer verbindlichen Identität. «Was Europa ist, versteht man am besten», sagte Philosoph Gunter Gebauer während einer der vielen die Ausstellung begleitenden Diskussionsveranstaltungen, «wenn man von aussen darauf blickt.» In Japan, so berichtet er, «sind wir alle 'Europäer', egal ob Deutsche, Polen, Schweizer oder Franzosen». Was aber ist «europäisch»? Diese Frage bearbeitet gelungen die zweiteilige Ausstellung im CCSP. Einen «Aussenblick» boten zunächst Künstler mit Schweiz-Bezug mit teils amüsanten, teils bedrückenden Bildern. Während Yves Mettlers aus Absperrbarken gezimmertes Tisch- und-Bank-Ensemble daran erinnerte, dass der «europäische Raum» aus Grenzen geformt ist, thematisierte Ursula Biemann wie andere das Thema Migration. Europa heute ist nur durch Migration möglich geworden und zugleich ist der Gestus des Europäischen auch durch «Bürgerliches» im Sinne des Wortstammes «Burg» bestimmt. Die Öffnung zum anderen wird immer wieder durch die Angst um die Sicherung des Besitzstandes konterkariert. Peter Spillmann hat mit dem Labor K3000/Transit Migration eine interaktive Karte realisiert, die sichtbar macht, wie fundamental die Bewegung über Grenzen mit dem verbunden ist, was wir «Europa» nennen. Das Europäische ist geprägt von Zweifel und Selbstkritik: Hinrich Sachs schlug fünf alternative Titel für die Ausstellung vor und Dan Perjovschi trug eine Wandzeichnung mit Kreide bei - nicht seine beste, wie er selbst auf der Wand urteilt. Auch Christian Philipp Müller und Gianni Motti befassten sich in ihren Beiträgen vor allem mit den kritischen Seiten Europas, mit Polizei, Geld und symbolischer Gewalt. Die Frage nach dem Werden von Europa ist aktuell vor allem eine kritische. Marius Babias, demnächst Leiter des Neuen Berliner Kunstvereins, will denn auch in seinem Konzept für den zweiten Teil der Ausstellung ein «besseres Europa» skizzieren. Sein «Neues Europa» stärkt statt wirtschaftlicher kulturelle und künstlerische Bausteine. Im CCSP wird deutlich, wie sehr eine polarisierende Sichtweise an dem vorbei greift, was «Europäisch» sein könnte. Auf dem Faltblatt zum ersten Kapitel der Ausstellung war das Bild eines der Auffanglager an den Grenzen Europas zu sehen, ein Still aus einem Video von Lonnie van Brummelen. Darüber lag das gekippte Schweizerkreuz, als wollte es den Ort markieren, von dem aus Europa heute gedacht werden muss: von seinen Schwachpunkten her, von den Orten seiner Widersprüche.
Ursula Biemann |
Yves Mettler |
Gianni Motti |
Christian Philipp Müller |
Dan Perjovschi |
Hinrich Sachs |
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J. Emil Sennewald | |
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