Nedko Solakov

Nedko Solakov · Fears, 2006-2007, Serie von 99 Zeichnungen, Tusche, Lavierung auf Papier, 19 x 28 cm

Nedko Solakov · Fears, 2006-2007, Serie von 99 Zeichnungen, Tusche, Lavierung auf Papier, 19 x 28 cm

Nedko Solakov · Good News, Bad News, 1998, kleine Objekte, begleitet von guten und schlechten Nachrichten

Nedko Solakov · Good News, Bad News, 1998, kleine Objekte, begleitet von guten und schlechten Nachrichten

Besprechung

Vielleicht ist dem einen oder anderen noch sein hinreissender Zeichnungszyklus auf der letzten Documenta in Erinnerung, der grotesk, absurd und doch liebevoll die Anomalitäten des Lebens aufspiesste. Nun wird der Bulgare umfassend in der sehenswerten Wanderausstellung «Emotions» vorgestellt.

Nedko Solakov

Es ist wohl weniger das Romantische, sondern das Widersprüchliche, Ephemere und manchmal Paradoxe des Seelenlebens, das Solakov (*1957) mit «Emotions» thematisiert. Denn viele seiner Werke, die dieser Überblick der nahezu letzten 25 Jahre präsentiert, kreisen um Finten und Fakes. Nur auf den ersten Blick steht dabei die Frage nach wahr und falsch im Zentrum, stattdessen eine Fabulierlust, die sonst eher bei Literaten zu finden ist. War er nun ein Spitzel für den bulgarischen Geheimdienst, wie seine Installation «Top Secret»,1989/90, mit einer ausufernden Sammlung von Karteikarten nahelegt, die ausführlich seine Mittäterschaft belegen (sollen)? Die Selbstbezichtigung des Künstlers ist offiziell weder dementiert noch bestätigt worden - von wem auch? Zahlreiche Details, Namen und Begebenheiten spüren so einem Leben unter totalitärer Kontrolle nach, in dem Opfer und Täter verschmelzen. Die Wahrheit ist nicht weiss und nicht schwarz, sondern grau - das scheint auch «A Life (Black & White)», seit 1998, zu illustrieren: Zwei Maler streichen einen Raum abwechselnd weiss und schwarz, bis sich die Wände in einem diffusen Ton präsentieren. Hinter diesem simplen, fast theatralischen Symbolismus scheint eine Ökonomie der Mittel auf, die negiert ins Absurde führt.
Dass Solakov verschiedene Formen von Realität vermischt oder ausser Kraft setzt, kann natürlich auf persönliche Erfahrungen zurückgeführt werden: den Zusammenbruch des letzten utopischen Systems - des «real existierenden» Sozialismus. Doch wirken hier wohl auch Literatur und Theater nach: Wie in Jorge Luis Borges «Buch der imaginären Wesen» versammelt Solakov eine Enzyklopädie imaginärer Wirklichkeiten. Selbst ein Geschichtenerzähler, jongliert er mit der Realität, kreiert Welten und Parallelkosmen aus Melancholie, Humor und einem Hang zur Pointe, welcher allerdings zuweilen die formale Intensität und Durchdringung zurückdrängt. Ein künstlerischer Bruder im Geiste müsste ihm Paul Magritte sein.
Solakovs mit feiner Ironie gewürzten Papierarbeiten entfalten jedoch die gesamte Palette poetisch bildnerischer Fantasie und stellen so manchen der momentan erfolgreichen Zeichenkünstler in den Schatten, die das Repertoire der Cartoons von Saul Steinberg bis Robert Crumb nur aufwärmen.

Until 
09.05.2009

Mathildenhöhe Darmstadt, 12.7.-4.10., Katalog, Hatje Cantz, Stuttgart 2008

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